Reaktionen auf Jamaika-Vertagung "Mich frustriert das hier extrem"

Berlin · Nach knapp 15-stündigen Verhandlungen unterbrachen Union, FDP und Grüne am frühen Freitagmorgen die Gespräche. Die Sondierer schwanken zwischen Optimismus und Frustration. Weitere Gespräche könnten das ganze Wochenende dauern. Die Kanzlerin bekräftigt ihren Einigungswillen.

FDP Parteivize Wolfgang Kubicki (r) spricht am Freitagmorgen mit Reiner Haseloff (CDU, l), Ministerpräsident in Sachsen Anhalt, und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier.

FDP Parteivize Wolfgang Kubicki (r) spricht am Freitagmorgen mit Reiner Haseloff (CDU, l), Ministerpräsident in Sachsen Anhalt, und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier.

Foto: dpa, mkx hjb

Unmittelbar vor der Fortsetzung der Sondierungsgespräche für ein Jamaika-Bündnis am Freitagmittag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die CSU, die FDP und die Grünen zur Einigung aufgerufen. Die zweite Runde der Sondierung werde hart, die Gespräche seien sehr kompliziert, weil es um sehr unterschiedliche Parteien gehe. Die CDU müsse alles versuchen, um eine Jamaika-Regierung zustande zu bekommen. "Es gehört der Wille aller dazu. Von der CDU-Seite ist der Wille da."

Sie gehe trotz aller Schwierigkeiten mit dem Willen in die Verhandlungen, "den Auftrag, den uns die Wähler gegeben haben, eine Regierung zu bilden, auch umzusetzen", sagte Merkel. "Es wird sicherlich nicht einfach, es wird sicherlich hart, aber es lohnt sich, heute Runde zwei nochmal zu drehen."

CSU-Chef Horst Seehofer forderte die Grünen am Freitagvormittag zu mehr Kompromissbereitschaft auf. Ohne die Ökopartei direkt zu nennen, sagte der bayerische Ministerpräsident: "Dieses Spiel, wir haben uns bewegt, jetzt müssen sich die anderen bewegen, ist nicht nachvollziehbar." Man dürfe nicht nur öffentlich erklären, kompromissbereit zu sein, sondern müsse dem in den Verhandlungen auch Taten folgen lassen.

Die Lage bei den Sondierungen für ein schwarz-gelb-grünes Bündnis sei "leider ein schwieriger Zwischenstand". Es lohne sich aber, in die Verlängerung zu gehen. Seehofer erklärte jedoch auch: "Wir haben noch in keinem Bereich eine einzige Entscheidung."

FDP-Chef Christian Lindner hatte bereits in der Nacht die Hoffnung geäußert, dass den Jamaika-Parteien eine Einigung gelingt. "Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir die nächsten Tage nutzen wollen, um die noch bestehenden Unterschiede zu überwinden. Wir halten sie auch für überwindbar", sagte Lindner. "Ein solches historisches Projekt, wie es eine Verbindung von FDP, Union und Grünen wäre, darf nicht an ein paar Stunden scheitern, die fehlen."

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) zeigte sich ebenfalls zuversichtlich: "Wir sind überzeugt, dass wir zusammenkommen können, wenn alle wollen." Auf eine Deadline, bis wann die Sondierungen abgeschlossen sein müssen, wollte er sich aber nicht festlegen: "Wir sollten uns nicht unter Druck setzen lassen", sagte Altmaier am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Er hob zugleich hervor, dass die Parteien nicht "beliebig viel Zeit" hätten.

Union, FDP und Grüne hatten seit Donnerstagmittag verhandelt, ohne sich auf einen Abschluss einigen zu können. Für Freitag angesetzte Sitzungen der CDU-Gremien, in denen über ein Sondierungsergebnis beraten werden sollte, wurden abgesagt. Auch geplante Beratungen der CSU am Samstag in München finden nicht statt. Aus Verhandlungskreisen wurde über extrem schwierige Gespräche berichtet. Das betraf besonders die Flüchtlingspolitik. Hier standen sich in der Nacht die Positionen von Grünen und CSU unvereinbar gegenüber.

Wesentlich kritischer als FDP-Chef Lindner äußerte sich sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki nach dem Abbruch der Gespräche. Es sei noch immer kein Vertrauen zwischen den handelnden Personen entstanden, sagte er. Wenn die Verhandler nach wochenlangen Gesprächen wieder am Anfang seien, "dann fängt das an zu nerven. Mich frustriert das hier extrem." Der FDP-Vize fügte hinzu: "Ich gehe jetzt anderthalb Stunden duschen. Und dann gehe ich ins Fernsehen und versuche, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Und Optimismus zu verbreiten."

Das gelang ihm im ARD-"Morgenmagazin" aber nur bedingt: "Die Fronten haben sich verhärtet", sagte Kubicki. Die FDP habe versucht, Brücken zu bauen, sei damit aber bislang gescheitert. "Wir sind in den strittigen Fragen Migration, Bekämpfung des Klimawandels, Finanzpolitik, innere Sicherheit noch so weit auseinander, dass mir momentan die Fantasie fehlt (...), wie wir in der kurzen Zeit zusammenkommen sollen", sagte Kubicki.

Die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles rechnet hingegen weiter mit einer Jamaika-Koalition in Berlin. Allerdings zeichne sich eine "Koalition des Misstrauens" ab, sagte Nahles im ARD-"Morgenmagazin". Die SPD-Politikerin warf Merkel vor, nur zu moderieren und keine Richtung vorzugeben.

Am Ende werde es eine Einigung der Jamaika-Parteien auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geben. "Das ist nicht ausreichend für Deutschland." Auf die Frage, ob die SPD bei einem Scheitern der Gespräche doch noch zu einer Regierungsbeteiligung bereit wäre, sagte Nahles: "Nein, es wird dann auf Neuwahlen hinauslaufen."

SPD-Chef Martin Schulz kritisierte, die sich abzeichnende Koalition werde Europa nicht voranbringen. "Es ist zu befürchten, dass die Bundesrepublik in der EU keine Rolle mehr spielen wird, weil sie nicht handlungsfähig ist." Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat warf Merkel vor, die Sondierungen treiben zu lassen. Sie sei wie gehabt "die Weltmeisterin des Ungefähren, die Großmeisterin der Inszenierung". Sie lasse jetzt den Erwartungsdruck riesig ansteigen, damit sie auch den kleinsten Erfolg als Großtat verkaufen könne. "Am Ende werden wieder alle sagen, hat die Frau Merkel doch wieder wunderbar hinbekommen. Nur das Land hat davon nichts", sagte Schulz.

(mro / oko)
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