Internes Papier NRW-Wünsche setzen Jamaika-Unterhändler unter Druck

Exklusiv | Berlin/Düsseldorf · Nordrhein-Westfalens Landesministerien haben auf rund 50 Seiten Wünsche für die Sondierungen im Bund formuliert. In Berlin dürfte es Kritik geben.

Das von CDU und FDP regierte NRW ist als bevölkerungsreichstes Bundesland wichtig für die Sondierungen einer Jamaika-Koalition im Bund. Ein internes Papier, das unserer Redaktion vorliegt, hält auf knapp 50 Seiten die Wünsche sämtlicher Landesministerien für die Verhandlungen in Berlin fest.

Mit dem schwarz-gelben Papier könnten die Unterhändler für eine schwarz-gelb-grüne Koalition im Bund unter Druck geraten. Ein NRW-Regierungssprecher bestätigte, es handele sich um "eine Sammlung von Meldungen aus den Ressorts für mögliche Punkte bei den Koalitionsverhandlungen".

  • Ruhrgebiet Das Papier fordert von der künftigen Bundesregierung mehr Unterstützung für das Ruhrgebiet, zur Not auch zulasten des ländlichen Raums: "Regionen mit besonderem Entwicklungsbedarf - vor allem das Ruhrgebiet - brauchen Strukturperspektive; eine Ausdehnung/Schwerpunkt der Förderung auf regionale Daseinsvorsorge in strukturschwachen Regionen und ,ländlichen Räumen' als neue Kulisse der Gemeinschaftsaufgabe sollte unterbleiben, da ansonsten das Ruhrgebiet weiter benachteiligt würde."
  • Finanzen Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags soll dem Papier zufolge nur schrittweise erfolgen. Eine "Bürgerversicherung" wird abgelehnt, die Mütterrente soll nicht auf die Grundsicherung angerechnet, die Rentenansprüche von Geringverdienern aber aufgestockt werden. Es soll eine "Pflicht zur Betriebsrente" geben, die betriebliche Altersvorsorge als zweite Säule der Alterssicherung. Für die Alterssicherung von Frauen wird die Einführung einer "durchgängigen Rentenversicherungspflicht" gefordert.
  • Familie In dem Papier wird ein "Kindergeld 2.0" vorgeschlagen, aufgeteilt in einen einkommensunabhängigen Grundbetrag sowie ein "Kinder-Bürgergeld", das die wirtschaftliche Situation der Eltern berücksichtigt. Der Finanzierungsanteil des Bundes an den Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss soll von 40 auf 50 Prozent angehoben werden.
  • Migration Es soll ein "modernes und transparentes Einwanderungsgesetz" geben sowie eine "vollständige Übernahme der Kosten der Länder für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern durch den Bund". Der Bund soll sich stärker an den Kosten für Menschen mit ungeklärter Bleibeperspektive beteiligen und die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei Geflüchteten aus Syrien überprüfen. Die Einführung eines Generationenschnitts beim Doppelpass im Staatsangehörigkeitsrecht wird gefordert, das umstrittene Asylbewerberleistungsgesetz soll nicht abgeschafft, die Maghrebstaaten sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden.
  • Sicherheit Die Überwachung von Telekommunikation soll auch für "die Strafverfolgung von qualifiziertem Einbruchdiebstahl" möglich werden, ebenso die "Nutzung des Mautsystems" für Zwecke der Strafverfolgung, insbesondere bei mobilien Einbruch-Intensivtätern.
  • Infrastruktur Der Bund soll "durch Festhalten am Thema Maut" die Finanzierung der Straßeninfrastruktur sichern. Die Lkw-Mautdaten sollen für Verkehrsprognosen genutzt werden dürfen. Bei der Breitbandförderung durch den Bund sollen Glasfaserausbau und Anschlüsse von Schulen, Gewerbegebieten und Städten im Fokus stehen.
  • Doel und Tihange Die neue Bundesregierung soll nicht unbedingt auf eine Abschaltung der belgischen Pannenreaktoren Doel und Tihange bestehen. Laut Papier soll "der sichere Betrieb durch geeignete Maßnahmen garantiert oder eine baldige Abschaltung ermöglicht werden".
(jd, tor)
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