Gedenken an die Opfer von Paris Bundespräsident Joachim Gauck: "Euer Hass ist unser Ansporn"

Berlin · Nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" hat ein breites Bündnis aus Politik und Gesellschaft bei einer Mahnwache in Berlin der Terroropfer gedacht. Bundespräsident Joachim Gauck sagte am Brandenburger Tor in Richtung Terroristen und Fanatiker: "Euer Hass ist unser Ansporn."

Mahnwache in Berlin in Gedenken an Pariser Terroropfer
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Mahnwache in Berlin in Gedenken an Pariser Terroropfer

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Das Brandenburger Tor leuchtet in den Farben der französischen Nation. Blau, weiß und rot wie die Trikolore ist es angestrahlt. Der Zentralrat der Muslime, der eigentlich nur ein Viertel aller Muslime in Deutschland vertritt, hatte zu der Gedenkveranstaltung aufgerufen. Die beiden christlichen Kirchen und die Juden sagten zu. Auch die Muslime untereinander begruben ihre Rivalitäten. Gleiches gilt für das Gerangel in der großen Koalition um das Gedenken. Alle miteinander demonstrierten Einigkeit gegen den Terror.

Das war auch die Botschaft von Bundespräsident Joachim Gauck, der bei der Mahnwache auf dem Pariser Platz sprach. "Die Terroristen wollten uns spalten. Erreicht haben sie das Gegenteil", sagte er. Er verurteilte die "Bluttaten von Paris" als "Anschlag auf das freie Wort, auf die pluralistische Gesellschaft, auf das Recht auf Leben".

Den Terroristen hielt er jenen Satz entgegen, den er zu Beginn seiner Amtszeit auch den Rechtsextremen vorgehalten hatte: "Wir schenken Euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn." Gauck dankte den Muslimen für ihr Engagement gegen den Terror. Wenn Muslime sagten, "Terror, nicht in unserem Namen!", dann sei dies ein patriotisches "Ja" zu dem Land, "in dem wir gemeinsam leben".

Vertreter aller drei großen Religionen sprachen

Vor Gauck sprachen die Vertreter aller drei großen Kirchen. "Wir werden es nicht zulassen, dass unser Glaube missbraucht wird. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft von Extremisten, die nur das Ziel haben, Hass und Zwietracht zu stiften, auseinandergerissen wird", sagte Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime.

Trauerzeremonie für die getöteten Polizisten
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Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, sprach über den wachsenden Antisemitismus in Europa und über die zunehmende Radikalisierung des Islams auf der Welt an. Er rief die Muslime dazu auf, "gegen diesen Terror" vorzugehen. Antisemitismus unter jungen Muslimen dürfe nicht hingenommen werden, betonte er. "Nehmen Sie unsere Gefühle als Seismographen. Denn wenn Juden bedroht sind, sind wir alle bedroht", sagte er.

Die Vertreter der christlichen Kirchen solidarisierten sich mit den Opfern in Frankreich. "Was in Paris passiert ist, rüttelt uns auf", sagte der evangelische Bischof Markus Dröge. Die Kirchenvertreter sprachen den fundamentalistischen Gewalttätern ernste Religiosität ab. "Echter Glaube an Gott führt zum Frieden und zur Überwindung von Spaltung", sagte er.

Charlie Hebdo - Gedenkmarsch in Paris
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Charlie Hebdo - Gedenkmarsch in Paris

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Kabinett nahezu vollständig vertreten

Rund 10.000 Menschen hatten sich nach Angaben der Polizei auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor versammelt. Das Kabinett war mit Kanzlerin Angela Merkel und ihren Ministern nahezu vollzählig vertreten. Die Fraktionen im Bundestag hatten ihre Sitzungen pünktlich beendet. Die SPD-Fraktion zog gegen 17 Uhr kameratauglich geschlossen vom Osteingang des Reichstags zum Pariser Platz. Die Abgeordneten trugen Windlichter mit dem Aufdruck "Je suis Charlie". Das Gedenken ist auch Vermarktung.

Tagsüber hatte bereits die Islamkonferenz, die am Dienstag im Innenministerium zusammengekommen war, die Anschläge verurteilt und vor Stimmungsmache gegen Muslime in Deutschland gewarnt. "Der Anschlag in Paris ist ein Anschlag auf unsere demokratischen Werte, auch auf unsere muslimischen Werte", heißt es in einer Erklärung. Kanzlerin Merkel hatte bereits am Montag ein Zeichen gesetzt und erklärt: "Der Islam gehört zu Deutschland. Das ist so. Dieser Meinung bin ich auch." Damit schloss sie sich den Worten des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff an, der dies 2010 gesagt hatte. Wulff hatte damals eine große Grundsatzdebatte über die Wurzeln unserer Gesellschaft losgetreten.

Mit der Kundgebung am Dienstag im Herzen von Berlin reißt das öffentliche Gedenken nach den Anschlägen von Paris in Deutschland nicht ab. Am Donnerstag wird Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu Beginn der Bundestagssitzung eine Rede halten, anschließend folgt eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin und eine Debatte. Zu erwarten ist, dass die Abgeordneten dabei auch über das Thema Sicherheit sprechen werden.

(qua)
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