BA-Vize Alt im Interview Jobagentur will bei Jugend sparen

Düsseldorf (RP). Heinricht Alt, stellvertretender Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), spricht im Interview mit unserer Redaktion über Leistungen für Arbeitslose, das Bürgergeld der FDP und Einsparmöglichkeiten der Bundesagentur.

Was Hartz-IV-Empfänger nun beachten sollten
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Was Hartz-IV-Empfänger nun beachten sollten

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Foto: APN

Nach dem jüngsten Verfassungs- gerichtsurteil machen sich Hartz-IV-Empfänger Hoffnungen auf höhere Leistungen. Zu Recht ?

Alt Nicht zwingend. Ich rate dringend, bei Pauschalierungen zu bleiben und jetzt nicht für jeden Härtefall Sonderzahlungen zu gewähren. Für Kinder in Hartz IV muss es mehr öffentliche Angebote geben, aber nicht zwangsläufig mehr Geld an die Eltern fließen. Es geht zum Beispiel um flexiblere Kita-Öffnungszeiten, mehr Ganztagsschulen oder ein freies Frühstück vor der Schule.

Lassen sich für Erwachsene aus dem Urteil bessere Leistungen ableiten?

Alt Nein. Aber wir sollten es zum Anlass nehmen, dem Einzelnen mehr Freiheiten zu lassen bei der Verwendung der Sozialleistung. Ich könnte mir vorstellen, die Wohn- und Heizkostenerstattung in eine Wohn-Pauschale umzuwandeln.

Das wäre dann der Einstieg in eine Art Bürgergeld à la FDP?

Alt In dieser Hinsicht ja. Die Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts muss anders aussehen als die des 20.! Im Moment wird ein Hilfeempfänger zu 100 Prozent vom Sozialstaat versorgt, dadurch nehmen wir ihm Stolz und Antrieb, nach eigenen Erfolgen zu suchen. Eine Wohn-Pauschale würde Anreize schaffen, sich günstigeren Wohnraum zu beschaffen. Städte sollten die Höhe der Pauschale festlegen, in München wäre sie höher als in Berlin.

Wäre das verfassungsfest?

Alt Meinetwegen können wir ein Wahlrecht einführen: Hartz-IV-Empfänger sollen wählen können zwischen der spitzen Abrechnung des Mietzuschusses oder der Pauschale. Viele werden sich für die Pauschale entscheiden, weil sie Anreize schafft. Und man muss nicht jede einzelne Ausgabe nachweisen.

Die FDP wirft Ihnen vor, Hartz-IV-Leistungen zu wenig zu kürzen, wenn Arbeitslose ein Jobangebot ablehnen. Was sagen Sie dazu?

Alt Wir müssen aufpassen, dass wir Menschen nicht ganz aus der staatlichen Fürsorge herausdrängen und den Kontakt zu ihnen verlieren. Ich möchte nicht, dass Jugendliche auf dem Kölner Domplatz Drogen verticken, weil ihnen das Job-Center Leistungen gestrichen hat.

Reicht der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 3,0 Prozent ab 2011, damit die BA nächstes Jahr ohne Bundeszuschuss auskommt?

Alt Definitiv nein. Wir werden auch 2011 die finanzielle Hilfe des Bundes benötigen, wenn der Beitragssatz konstant bleiben soll. Bisher ist für 2011 ein Darlehen an die BA vorgesehen, von dem wir aber wissen, dass wir es mittelfristig nicht zurückzahlen können.

Der Finanzminister sucht hände- ringend nach Einsparmöglichkeiten. Wie könnte ihm die Bundesagentur für Arbeit dabei helfen?

Alt Im Koalitionsvertrag steht etwa das Stichwort "Aufgabenkritik". Wenn die BA nicht mehr zuständig wäre für die Herstellung der Ausbildungsreife Jugendlicher, könnte sie im Jahr 1,5 Milliarden Euro sparen.

Michael Bröcker, Birgit Marschall und Eva Quadbeck führten das Gespräch.

(RP)
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