Rechtsextremismus in Deutschland Jung, männlich, NPD

Düsseldorf (RP). Die rechtsextreme Partei erreicht ihre Wählerschaft nicht mehr nur über Protestverhalten und Rassenhass. Daneben tritt braun gefärbte Sozialarbeit.

2006: Wahlergebnisse der NPD in Mecklenburg-Vorpommern
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2006: Wahlergebnisse der NPD in Mecklenburg-Vorpommern

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Foto: afp

Die "Politik" ist über den Einzug der NPD in den Schweriner Landtag rituell entsetzt, dabei war dieses Ereignis exakt vorausberechnet worden. Jung, männlich, organisiert, nationalsozialistisch, intelligenter als früher - so lauten einige Charakteristika der rechtsextremen Gruppe.

Bei der Bundestagswahl im September 2005 erreichte sie unter den 18- bis 24-Jährigen bundesweit 5,2 Prozent, in den östlichen Ländern sogar 9,5 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern strömten ihr aus derselben Alterskohorte 22 Prozent zu, von den 25- bis 34-Jährigen 18 Prozent. Die CDU schnitt bei den Jungen schlechter ab, die SPD nur wenig besser.

Rechtsradikale sitzen mithin in vier Landtagen: In Brandenburg die mit der NPD geistesverwandte DVU (Deutsche Volksunion, 6,1 Prozent), in Sachsen die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschland, 9.2 Prozent - fast so stark wie die tief gefallene SPD); in Bremen die DVU (in Bremerhaven 7,1 Prozent) und nun zum erstenmal in Mecklenburg-Vorpommern (7,3 Prozent).

Nicht die erste rechtsradikale Welle

Es ist nicht die erste rechtsradikale Welle. Zwischen 1966 und 1969 zog die NPD mit Wahlerfolgen zwischen 5,8 und 9,8 Prozent in sieben Landesparlamente ein: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein. 1969 stand sie mit 4,3 Prozent vor der Schwelle des Bundestages. Die 1963 gegründete NPD ragt durch Breitenerfolge heraus. Den Republikanern glückte 1989 und 1992 der Sprung in Baden-Württemberg, 1996 in Berlin. Die DVU, in Bremen wiederholt erfolgreich, machte 1989 in Sachsen-Anhalt einen riesigen (und einmaligen) Satz nach oben: 12,9 Prozent.

Früher nährten sich die Rechtsradikalen von Protest, Ressentiments gegen Andere. Inzwischen ist das anders. Die Stereotype Fremden- und Rassenhass wirkt nach wie vor, doch schiebt sich der "Kümmerer"-Gedanke darüber, das gezielte Bemühen um sozial abgesunkene Milieus, um die "Einsamen" in den von aktiven Bevölkerungsteilen verlassenen Dörfern und Stadtteilen im Osten (da und dort auch im Westen).

Mit dieser Fürsorglichkeit hatten die linksradikalen Antipoden der PDS - sie werden inzwischen schon zu den demokratischen Parteien gezählt -, jahrelang einen selbstberauschenden Erfolg in den östlichen Gefilden. Regierungsbeteiligung und die Gewöhnung an Diäten haben die Linksender egoistisch gemacht - prompt suchen viele Wähler einen neuen "Kümmerer".

Ideologisch überhöhte Sozialarbeit

Die NPD überhöht ihre Sozialarbeit ideologisch, national-sozialistisch aus der Begriffswelt von 1923 bis 1933, denn in Teilen des Ostens bestehen teilweise Weimarer Verhältnisse. Sie propagiert die "Volksgemeinschaft" als Kern einer alternativen Verfassung, einen deutschen Schutzraum vor der Globalisierung, mischt eine gehörige Prise Anti-Amerikanismus und Anti-Imperialismus seit dem Irak-Krieg der USA bei. Die Reichs-Phantasien, die in dieser Traumblase entstehen, können, ins Moderne gewendet, auch als eine bessere, nämlich "deutsche" DDR verstanden werden. Die "Bewegung" ist wieder da, im kleinen Stil. Was ihr fehlt, ist das Charisma eines Führers.

Zudem handelt es sich um eine Männersache, um eine Welt von "Kameradschaften", denn es herrscht dort freudetötender Frauenmangel. Der Bremer Konfliktforscher Gunnar Heinsohn schrieb bereits 2003, "die Vergreisung Brandenburgs, Entleerung der Kleinstädte und Dörfer gilt als die größte Herausforderung der kommenden Jahre" ("Brandenburg" steht auch für andere Gegenden).

In Nordostdeutschland ist der Fahrstuhl der Zeit in den Krisenjahren 1930 bis 1933 angekommen: sozial, wirtschaftlich, atmosphärisch, geistig. Unter den jungen Männern, die nicht abwandern wollen oder können, herrscht radikalisierender Frust, der zum aggressiven Geschichtsbild gerinnt. Wo immer es dominiert, stellt sich radikale "Ordnung" ein.

Die Antreiber finden unbestellte Äcker. Viele Leute warten auf "Botschaft", auf eine "neue Zukunft" - sie greifen nach dem, was ihnen vorgeredet wird. Ein Verbotsverfahren, wie es 2003 wegen der V-Männer des Verfassungsschutzes in Karlsruhe scheiterte, braucht die NPD nicht zu fürchten. Die Parteien sind es, die sich vor einem zweiten Scheitern fürchten. Wohlmeinende "Beratungsprojekte" haben wenig Erfolg. Wähler, so meinen Experten, die den Radikalen zulaufen, sind für demokratische Parteien nicht mehr zu erreichen. Mögen diese noch so "entsetzt" sein: Tatsache ist, sie achteten nicht darauf, was sich da veränderte. Sie frönten ihren Lebenslügen.

(alfa)
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