Juso-Chef Kühnert Ein Mann auf Anti-GroKo-Mission

Berlin · Kevin Kühnert ist derzeit wohl der ärgste Widersacher von SPD-Chef Martin Schulz. Der Juso-Chef will eine Neuauflage der großen Koalition verhindern. Aber so richtig konfrontativ mag es der Anführer des SPD-Nachwuchses eigentlich gar nicht.

 Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert.

Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert.

Foto: dpa, htf

Besonders gefährlich sieht Kevin Kühnert nicht gerade aus. Ein junger Mann in Jeans und Turnschuhen, 28, Student, nicht sonderlich groß, mit einem freundlichen Gesichtsausdruck. Doch der Juso-Chef gilt gerade als großer Gegenspieler von SPD-Chef Martin Schulz.

Als einer, der möglicherweise eine weitere große Koalition verhindern könnte, der Schulz gefährlich werden, ihn stürzen könnte - und die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel womöglich gleich mit. Kühnert selbst kann mit solchen Kategorien nicht viel anfangen. Dafür ist er nicht der Typ.

Der Ober-Juso ist in Berlin geboren, lebt bis heute dort. Er studiert Politikwissenschaft und arbeitet nebenbei für eine Parlamentarierin im Abgeordnetenhaus. Von 2012 bis 2015 war er Berliner Juso-Chef, dann Vize-Chef der Jusos im Bund. Erst Ende November rückte er ganz an die Spitze auf - als Nachfolger von Johanna Uekermann.

Seine ersten Wochen und Monate in der neuen Rolle hätten kaum turbulenter sein können. Die SPD steckt in einer schweren Krise und vor der großen Richtungsentscheidung: noch mal GroKo oder nicht. Die Jusos stehen an der Spitze der GroKo-Gegner. Kühnert arbeitet seit Wochen unermüdlich, ist dauerpräsent in Medien, in sozialen Netzwerken und bei Ortsbesuchen an der Basis, um gegen Schwarz-Rot zu mobilisieren. Quasi im Fernduell mit Schulz.

Die beiden touren durch die Republik, um die SPD-Basis bis zum Bundesparteitag am Sonntag von ihrer Linie zu überzeugen. Während Schulz die Delegierten in den GroKo-skeptischen Landesverbänden bearbeitet, dass die SPD eine Art moralische Pflicht habe, in Koalitionsverhandlungen mit der Union einzusteigen, um die Republik irgendwie besser zu machen, wirbt Kühnert um Stimmen gegen eine weitere Runde Schwarz-Rot.

Eine Station auf seiner Tour: Dienstagabend, Ortsvereinssitzung der SPD in Berlin-Friedenau. Vor mehreren Dutzend Genossen seziert der Juso-Chef detailreich und kundig das Sondierungspapier. Zählt auf, was fehle, was in Kommissionen vertagt werde, was nur Verpackung ohne echte Veränderung sei. Er redet frei, geschliffen, argumentiert sachlich, aber pointiert - ohne zu polemisieren oder zu verletzen.

Kühnert geht die Sache eher sanft an. Schließlich sitzen im Raum auch einige, die Koalitionsverhandlungen mit der Union gar nicht schlecht fänden. Er habe großen Respekt vor der Unterhändlern der SPD, sagt er. "Unsere Sondierer haben das Beste rausgeholt. Da sind gute Sachen drin." Aber insgesamt reiche es nun mal einfach nicht.

Die Debatte in dem beengten Raum in Friedenau veranschaulicht, was bei der SPD insgesamt los ist: Die einen sagen, die SPD müsse endlich wieder mutig sein, sich in der Opposition rundumerneuern, dürfe nicht wieder in die GroKo-Falle tappen.

Die anderen warnen vor einem 15-Prozent-Ergebnis im Fall einer Neuwahl, vor einem Zerfall Europas und mahnen, die SPD müsse Verantwortung übernehmen. Das Meinungsbild am Schluss ergibt eine hauchdünne Mehrheit für den Einstieg in Koalitionsverhandlungen. "Es fühlt sich aber scheiße an, dafür zu stimmen", ruft eine Genossin aus der Ja-Fraktion in den Raum.

Kühnert weiß, wie zerrissen die SPD innerlich ist. Weiter spalten will er sie nicht. "Der Laden muss zusammenbleiben - egal, wie es ausgeht", sagt er. "Diese Partei wird noch gebraucht." Er hätte gerne eine Debatte um den Kurs der SPD, losgelöst vom Schicksal von Schulz und dem Rest der Parteispitze. Bei einem Nein des Parteitags gebe es doch keine Notwendigkeit, dass Schulz abtrete, sagt er immer wieder öffentlich - auch wenn das eher realitätsfremd klingt.

SPD'ler loben Kühnerts Tonfall: Verständlich und auf den Punkt, aber nicht überhitzt. Viele schätzen seine Eloquenz und seinen konsequenten Kurs. Letzteres ist in der Partei dieser Tage rar.

Dass Kühnert und die GroKo-Gegner beim Parteitag in Bonn ein mehrheitliches Nein zustande kriegen, ist nicht sehr wahrscheinlich, weil allen bewusst ist, was die Folgen wären. Für chancenlos hält Kühnert seine Mission trotzdem nicht. Eine schlechte Nachricht hat er allerdings für seine Parteikollegen: "Egal, was wir tun - es wird erst mal weh tun."

(csr)
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