Juso-Chefin will Hartz-IV-Sanktionen abschaffen

Berlin (RP). Die Chefin der Jungsozialisten, Franziska Drohsel, hat im Interview mit unserer Redaktion die Abschaffung sämtlicher Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger gefordert. Außerdem plädiert die Chefin der SPD-Jugendorganisation für die Wiedereinführung der Vermögensteuer und höhere Steuern für Spitzenverdiener. Ex-Vize-Kanzler Franz Müntefering vermisst sie nicht.

 Juso-Chefin Franziska Drohsel sieht die Jungsozialisten als Wahlkampfmotor der SPD.

Juso-Chefin Franziska Drohsel sieht die Jungsozialisten als Wahlkampfmotor der SPD.

Foto: ddp, ddp

Führende SPD-Politiker wünschen sich Franz Müntefering zurück. Sie auch?

Drohsel Ich halte nichts von derlei Personaldebatten. Wir müssen endlich wieder inhaltliche Akzente setzen und nicht über Personalien diskutieren.

Aber symbolisieren diese Sehnsüchte nicht ein Führungsvakuum in der SPD?

Drohsel Ich sehe kein Führungsvakuum. Kurt Beck ist unangefochten Parteivorsitzender der SPD und übrigens an der Basis sehr beliebt. Wie gesagt, wir sollten uns wieder auf inhaltliche und strategische Debatten konzentrieren.

Wie kommt die SPD in die Offensive?

Drohsel Soziale Ungleichheit ist das zentrale Thema in Deutschland. Ob alle Menschen in Deutschland menschenwürdig leben können, bezweifle ich. Wir müssen die Schere zwischen arm und reich ein Stück weit schließen. Das heißt beispielsweise, dass wir die Hartz-IV-Sätze erhöhen, Maßnahmen gegen die zunehmende Kinderarmut ergreifen und in Bildung investieren müssen. Und wir Jusos plädieren dafür, die Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger komplett abzuschaffen.

Finanziert durch höhere Steuern?

Drohsel Ja, die Umverteilung muss stärker durch die Steuerpolitik geschehen. Wir brauchen wieder eine Vermögenssteuer und ich kann mir vorstellen, dass wir den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent oder noch höher schrauben.

Für diese Thesen wirbt auch die Linkspartei. Die CDU bietet sich als Arbeiterpartei an. Was ist das Alleinstellungsmerkmal der SPD?

Drohsel Wir sind die einzige linke Volkspartei in Deutschland. Wir streiten glaubhaft für soziale Gerechtigkeit. Diesen Anspruch hat keine Partei. Dass soziale Gerechtigkeit mit der Union nicht möglich ist, zeigt etwa der Streit um den Mindestlohn. Die Union lehnt armutsfeste Löhne ab.

Welche zentralen Juso-Forderungen müssen in das Wahlprogramm der SPD?

Drohsel In der Bildungspolitik sind beispielsweise die Abschaffung der Studiengebühren und die Gemeinschaftsschule zentrale Themen für die Jusos. Außerdem wollen wir den Kampf gegen Rechtsextremismus langfristig finanziell absichern. Auch am Atomausstieg darf nicht gerüttelt werden.

Sollte da auch stehen, dass der Kapitalismus überwunden werden muss, wie der Juso-Bundesvorstand neulich beschlossen hat.

Drohsel Bei Kapitalismuskritik geht es um eine langfristige Perspektive , bei einem Regierungsprogramm um die nächsten vier Jahre.

Werden die Jusos einen möglichen Kanzlerkandidaten Steinmeier vorbehaltlos unterstützen?

Drohsel Die Frage der Kanzlerkandidatur ist offen. Wir kämpfen leidenschaftlich für Themen. Wir wollen Inhalte setzen. Es ist aber selbstverständlich, dass wir leidenschaftlich und engagiert für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten kämpfen. Die Jusos sind traditionell der Wahlkampfmotor.

In Hessen wagt ihre Parteifreundin Andrea Ypsilanti ein Linksbündnis. Nützt das der SPD?

Drohsel Das müssen die Landesverbände vor Ort entscheiden. Ich habe volles Vertrauen in die hessische SPD. Dass eine mögliche Minderheitenregierung negative Auswirkungen auf den Bund haben könnte, sehe ich nicht.

Eine neue Linkspartei-Debatte ist im Wahlkampf keine Belastung?

Drohsel Die Auseinandersetzung mit der Linkspartei ist doch ohnehin da. Wir müssen uns als SPD in einem Wahlprogramm auf zentrale inhaltliche Bausteine einigen, dann folgt die Auseinandersetzung mit anderen Parteien.

Sind die Mitglieder der Linkspartei lupenreine Demokraten?

Drohsel Ich kenne überwiegend jüngere Leute aus der Linkspartei und bei denen sehe ich keine demokratiefeindlichen Positionen, aber jedes Mitglied kenne ich nicht.

Das Interview führte Michael Bröcker.

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