"Ritual muss grundsätzlich erlaubt bleiben" Justizministerin verteidigt Gesetz zur Beschneidung

Berlin · In einer ernsthaften und teils emotional geführten Bundestagsdebatte hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Regierungspläne zur Beschneidung von Jungen verteidigt.

 Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Gesetzentwurf zur Beschneidung von Jungen in Schutz genommen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Gesetzentwurf zur Beschneidung von Jungen in Schutz genommen.

Foto: dapd, Timur Emek

Das uralte religiöse Ritual von Muslimen und Juden müsse grundsätzlich straffrei bleiben, solange das Kindeswohl nicht gefährdet ist, sagte sie am Donnerstag. Das Gesetz müsse zügig in Kraft treten, damit hierzulande wieder Rechtssicherheit herrsche. Vertreter von SPD, Linken und Grünen warben für einen Gegenantrag, der höhere Hürden für die chirurgische Entfernung der Vorhaut festschreiben will.

Anlass der Gesetzesinitiative ist ein Urteil des Kölner Landgerichts aus dem Mai, das die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet hatte, obwohl die Eltern eingewilligt hatten. Dies hatte in Deutschland, aber auch weltweit bei Juden und Muslimen für Aufsehen gesorgt.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, es gebe kein Land weltweit, das die Beschneidung unter Strafe stelle. Das Ziel der Bundesregierung, die Praxis unter Auflagen weiter zu erlauben, entspreche auch dem Grundgesetz. Danach sei die Kindererziehung Sache der Eltern, und zwar frei von staatlichem Einfluss. Der Staat sei auf ein Wächteramt beschränkt.

Die Bundesregierung schlägt in dem Entwurf vor, dass Beschneidungen minderjähriger Jungen straffrei bleiben, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So muss der Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen, also von Medizinern durchgeführt werden. In den ersten sechs Monaten dürfen Säuglinge aber auch von religiösen "Beschneidern" beschnitten werden, die zwar keine Ärzte, aber dafür besonders ausgebildet seien.

Ein überfraktioneller Gegenantrag, der von der Kinderbeauftragten der SPD, Marlene Rupprecht, sowie den kinderpolitischen Sprecherinnen Diana Golze (Linke) und Katja Dörner (Grüne) und gut 60 weiteren Abgeordneten vorgelegt wurde, sieht dagegen vor, dass Beschneidungen aus nicht-medizinischen Gründen erst ab 14 Jahren zulässig sind - und auch nur, wenn der betroffene Junge zustimmt.
Die jüdische Tradition sieht aber eine Beschneidung spätestens acht Tage nach der Geburt vor.

Die endgültige Abstimmung im Bundestag wird für Anfang kommenden Jahres erwartet.

"Keinesfalls harmloser Eingriff"

Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger erinnerte daran, dass die Legalität von Beschneidungen in Deutschland bis zum Frühjahr dieses Jahres kaum ernsthaft bezweifelt worden sei. Erst das Kölner Landgericht habe dies anders eingestuft. Seitdem sähen sich Juden und Muslime in ihrer Religionsausübung gefährdet. "Wir müssen zur Normalität zurückfinden", sagte sie. Jüdisches und muslimisches Leben müsse in Deutschland möglich bleiben.

Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) lobte, die Regierung lege einen ausgewogenen Gesetzentwurf vor. Dennoch tue sie sich persönlich schwer damit, dass Jungen einen "keinesfalls harmlosen Eingriff" über sich ergehen lassen müssten. Sie warb dafür, dass die Gesellschaft keinesfalls zulassen dürfe, dass islamfeindliche und antisemitische Ressentiments gepflegt werden.
"Juden und Muslime gehören zu unserem Land, sie sind Teil dieser Gesellschaft."

Die SPD-Abgeordnete Rupprecht betonte hingegen, der Gruppenantrag stelle das Recht jedes Kindes auf körperliche und seelische Unversehrtheit in den Mittelpunkt. Das Elternrecht ende, wenn Kinderrechte beeinträchtigt würden. Die Beschneidung sei kein minimaler, sondern ein "massiver" und nicht korrigierbarer chirurgischer Eingriff. Dieser setze die Einsichtsfähigkeit des Kindes voraus. "Wir wollen keine Eltern vor den Kadi stellen", sagte sie. Aber Leid der Kinder wiege schwerer. Die Menschenrechte eines Kindes wögen gleich schwer wie die Erwachsener.

Verweis auf 6000 Jahre alte Tradition

Die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes kritisierte den Entwurf der Regierung als rechtswidrig. Die Vorstandsvorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk erklärte: "Dieser Gesetzentwurf verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention, wonach sich Deutschland verpflichtet hat, alle überlieferten Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen."

Der CDU-Abgeordnete Günter Krings verwies darauf, dass die Beschneidung eine 6.000 Jahre alte Tradition sei, immerhin 30 Prozent der männlichen Weltbevölkerung sei beschnitten. Es sei der weltweit häufigste chirurgische Eingriff. Der Bundestag habe auch die "Freiheit zur Religion" zu beachten. Eine klare Abgrenzung müsse gezogen werden "zum barbarischen Ritual der Genitalverstümmelung bei Mädchen". "Dies ist und bleibt schwere Straftat", sagte er.

(apd)
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