Kampf gegen Neonazi-Terror Justizministerin will Verfassungsschutz umbauen

Berlin · Vor dem Gipfeltreffen zum Neonazi-Terror im Kanzleramt sind Forderungen nach wirksameren Strukturen bei Polizei und Verfassungsschutz laut geworden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plädierte für eine Zusammenlegung der 16 Landes-Verfassungsschutzämter. BKA-Chef Jörg Ziercke forderte eine engere Verzahnung der Sicherheitsbehörden.

 Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger plädiert für eine Zusammenlegung der 16 Landes-Verfassungsschutzämter.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger plädiert für eine Zusammenlegung der 16 Landes-Verfassungsschutzämter.

Foto: dpa, Fredrik von Erichsen

Statt über 16 Landesämter "könnte man auch über drei oder vier nachdenken", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der "Süddeutschen Zeitung". Sie rügte "Doppelzuständigkeiten" und "Effizienzverluste" zwischen den Behörden, die voneinander nicht wüssten "welche V-Leute der andere hat". Daher müssten die Verfassungsschutz- und Kriminalämter der Länder "stärker konzentriert" werden.

Hart kritisierte die Ministerin die Arbeit der Sicherheitsbehörden im Fall der Zwickauer Zelle: "Das gesamte Alarmsystem gegen Rechts hat nicht funktioniert", sagte sie der "SZ". "Wir haben eine Skandal, der sich ausweitet." Es sei "unfassbar", dass die Zwickauer Zelle mehr als zehn Jahre morden konnte. "32 Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter haben es nicht geschafft, eine rechtsextreme Mordserie zu verhindern." Leutheusser-Schnarrenberger räumte auch ein, dass die Politik "die Dimension des Rechtsextremismus unterschätzt" habe.

Polizei und Verfassungsschutz "enger verzahnen"

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Ziercke, forderte in der Zeitung "Die Welt" (Freitagsausgabe), dass die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder "enger verzahnt werden" müssten. Dabei müsse das verfassungsrechtlichen Trennungsgebot gewahrt werden, das eine Aufgabentrennung polizeilicher, geheim- und nachrichtendienstlicher Arbeit vorschreibt. Der BKA-Chef zeigte sich offen für den Vorschla, ein Abwehrzentrum gegen Terror von Rechts zu gründen - ähnlich dem gegen islamistischen Terrorismus.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) plädierte im ARD-Fernsehen für eine Zentraldatei gewaltbereiter Rechtsextremisten. "Genau wie eine Antiterror-Datei brauchen wir eine Zentraldatei, in der sämtliche Informationen gespeichert werden", sagte Schünemann. Er hoffe, dass diese "ganz wichtige Forderung" auf dem Krisengipfel schon beschlossen werde. Dass es diese Datei bislang nicht gebe, sei die Schuld von Leutheusser-Schnarrenberger.

In Unionskreisen hieß es laut "SZ" zu Leutheusser-Schnarrenbergers Vorschlägen, wenn damit Versäumnisse des Inlandsdienstes vermieden werden könnten, könne man über Neustrukturierungen nachdenken. Der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann sagte der Zeitung, nötig sei eine bessere Zusammenarbeit der Behörden, dazu gehöre auch die Überlegung, "ob eine Zusammenlegung einzelner Länderbehörden sinnvoll ist".

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verlangte eine Reform, die das "unkontrollierte und unkoordinierte" Agieren von 16 Landesämtern beende. Dabei dürfe es "keine Tabus" geben.
Im Kanzleramt kommen am Freitag die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zu Beratungen über den Kampf gegen den Rechts-Terrorismus zusammen.

An dem Treffen nehmen neben Leutheusser-Schnarrenberger und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auch deren Länderkollegen sowie Behördenchefs teil. Im Zentrum der Beratungen stehen die Pannen bei den Ermittlungen gegen die Zwickauer Terrorzelle, die für den Mord an neun Kleinunternehmern ausländischer Herkunft und einer Polizistin verantwortlich gemacht wird.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort