Arbeitszeitgesetz Kampf um den Acht-Stunden-Tag

Berlin · Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat die Diskussion darüber eröffnet, ob die starren Vorgaben im Arbeitszeitgesetz gelockert und an die veränderte digitale Arbeitswelt angepasst werden müssen. Die Arbeitgeber fordern, die täglich zulässige Höchstarbeitszeit von acht Stunden abzuschaffen.

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"Flexiblere Arbeitszeiten und die Orientierung am Ergebnis, nicht an der Präsenz im Büro können auch den Beschäftigten zugutekommen", sagte die SPD-Politikerin unlängst auf einem Fachkongress in Berlin. Dazu hat Nahles einen Dialog mit Arbeitgebern und Gewerkschaften gestartet, der in ein neues Arbeitszeitgesetz münden könnte. Die Arbeitgeber fordern, die täglich zulässige Höchstarbeitszeit von acht Stunden abzuschaffen und stattdessen nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gesetzlich vorzuschreiben.

Ein Sprecher der Arbeitsministerin erklärte, Nahles wolle den Acht-Stunden-Tag nicht abschaffen. Ende 2016 werde aber ein "Weißbuch" vorgelegt, das sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Arbeiten beschäftigt. Erst daran anschließend werde entschieden, ob gesetzliche Neuregelungen auch der Arbeitszeit notwendig seien.

Nach dem Arbeitszeitgesetz von 1994 dürfen Arbeitnehmer an Werktagen nur acht Stunden arbeiten. Die Höchstarbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Da auch der Samstag ein Werktag ist, begrenzt das Gesetz die zulässige Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden. Es gibt aber viele Ausnahmen, etwa für Klinikpersonal, Beamte, Soldaten und leitende Angestellte. Zudem wird die Einhaltung selten kontrolliert.

Dennoch gibt das Gesetz einen Rahmen vor, an dem sich die meisten Arbeitsverhältnisse orientieren. Wegen der Digitalisierung wird dieser Rahmen jedoch zunehmend durchbrochen: Mitarbeiter beantworten E-Mails nach Büroschluss, sind auch am Sonntag online erreichbar oder nehmen frühmorgens an Online-Konferenzen teil. "Ein Arbeitgeber hat mich angesprochen: Wenn ein Mitarbeiter früher geht, um bei den Kindern zu sein, und abends auf dem Handy schnell noch eine dienstliche E-Mail erledigt, darf er nach dem Arbeitszeitgesetz eigentlich morgens nicht ins Büro kommen. Ist das nicht ein Hemmschuh für flexible Arbeitszeiten? Ich meine: Da hat er durchaus recht!", berichtete Nahles.

"Um mehr Spielräume zu schaffen und betriebliche Notwendigkeiten abzubilden, sollte das Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden", heißt es in einem Positionspapier der Arbeitgeberverbände. Auch die EU schreibe nur ein wöchentliches Zeitlimit vor. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer bekräftigte dies und sagte: "Mit der Umstellung auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde die Bundesregierung ihrem Anspruch gerecht werden, EU-Normen eins zu eins umzusetzen und einen effektiven Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten."

"Flexible Arbeitszeiten gewinnen angesichts von Digitalisierung und der Notwendigkeit zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer mehr an Bedeutung", erklärte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. "Unsere starren Arbeitszeitregelungen mindern allerdings diese Flexibilität. Daher wäre es wichtig, die gesetzlichen Regelungen an die aktuelle Entwicklung anzupassen", forderte er.

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Foto: Shutterstock/ ollyy

Auch Hans-Peter Klös vom arbeitgebernahen Institut der Wirtschaft, Mitglied des von Nahles ins Leben gerufenen Beraterkreises, sagte: "Der gesetzliche Korridor passt nicht mehr in eine Welt, die 24 Stunden am Tag in Echtzeit online unterwegs ist." Die Flexibilitätsanforderungen der Wirtschaft müssten mit legitimen Schutzansprüchen der Arbeitnehmer in Einklang gebracht werden. "Der Gesetzgeber wird den gesetzlichen Arbeitszeitrahmen lockern müssen." Tarif- und Betriebsparteien müssten mehr selbst regeln.

Die Gewerkschaften lehnen die Arbeitgeber-Forderung jedoch strikt ab. "Überall, wo wir Regelungen zum mobilen Arbeiten vereinbart haben, stand das Arbeitszeitgesetz nicht im Wege", sagte der designierte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Deshalb sehe er auch keinen akuten Handlungsbedarf. "Wenn die Arbeitgeber meinen, unter dem Siegel neuer Arbeitsformen Schutzrechte schleifen zu können, ist dies sachfremd und ein allzu durchsichtiges Manöver", sagte Hofmann.

(mar)
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