Analyse Kann Guttenberg die CSU beflügeln?

Düsseldorf · Der Vorsitzende der bayerischen Christsozialen, Horst Seehofer, will Karl-Theodor zu Guttenberg zurück in die Politik holen. Der machte mit schonungsloser Kritik an der deutschen und europäischen Politik von sich reden.

Gefallener Politik-Star: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Gefallener Politik-Star: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Foto: dpa, Marius Becker

Lassen sich politische Probleme mit anderen Problemfällen lösen? Offensichtlich glauben das einige Christsoziale in Bayern - und vor allem ihr Vorsitzender Horst Seehofer. Doch wie das im Einzelnen funktionieren kann, erschließt sich nicht sofort. Noch sorgt die CSU bundespolitisch mit negativen Schlagzeilen über eine drohende Straßenmaut für eine Pulsbeschleunigung bei vielen Deutschen.

Da ist von Abzocke die Rede, unausgegoren und europarechtlich nicht durchführbar. Die Folge ist Wählerfrust auch jenseits bayerischer Landesgrenzen. Und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bessert nach, verspricht Ausnahmen für den kleinen Grenzverkehr, wo zum Beispiel Niederländer gern für ein paar Stunden ohne Maut zum Einkaufen über die Grenze eilen und der NRW-Einzelhandel ebenso gern das Geschäft macht.

Horst Seehofer weiß um das ramponierte Bild seiner Partei und Stimmenschwund. Anfang September war nach langem Gerede und öffentlichem Schlagabtausch auch noch die Leiterin seiner Staatskanzlei wegen einer Modellauto-Affäre zurückgetreten. Seehofer will nun, dass seine CSU künftig wieder mehr punktet mit Programmen und politischem Profil. Er regt an, dass beim Parteitag im Dezember die einstige CSU-Lichtgestalt Karl-Theodor zu Guttenberg (43) eine außenpolitische Grundsatzrede halten möge.

Der Freiherr könne das außenpolitische Profil der Partei wieder schärfen, er könne ihr Kompetenz einhauchen angesichts der schweren Krisen in Nahost, der Ukraine oder beim Kampf gegen den Terror des "Islamischen Staates" (IS). Bislang wird das Feld vor allem von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestellt. Die CSU bleibt außen vor - ungehört und außenpolitisch gestaltungsfern.

Seehofer will offensichtlich den über sein eigenes Talent gestürzten Freiherrn in die Niederungen der Tagespolitik zurückholen. Nachdem Guttenberg der von der Universität Bayreuth einst verliehene Doktortitel wegen reihenweise verübten Plagiats im Februar 2011 aberkannt worden war, der Sünder von allen Ämtern zurückgetreten war und Zuflucht in Amerika gesucht hatte, setzt Seehofer auf Guttenbergs Comeback. "Ich will nicht, dass jemand, der in Schwierigkeiten ist, weggeschoben wird, sondern er braucht diese Verschnaufpause. Wenn mal eine gewisse Zeit vorbei ist, soll jemand auch wissen, du bist bei uns gern gesehen," sagt der CSU-Chef. Ob der einstige Verteidigungsminister die Rückkehr in die Politik überhaupt anstrebt oder ob es am Ende doch allenfalls zu einer Gastrede auf dem Parteitag reicht, ist noch offen.

Guttenberg hat zweifellos politisches Talent. Er ist weltoffen und parkettsicher, spricht fließend Englisch, was wohl die wenigsten Bundestagsabgeordneten können, und ist in den USA gut vernetzt. Er weiß um seine Fähigkeiten und sein geschliffenes Auftreten. Das macht ihn aber eher empfänglich für Eitelkeiten und peinliche Selbstdarstellungseskapaden. Zur Inszenierung der "Marke Guttenberg" gehörte auch das telegene, gemeinsame Auftreten mit seiner Frau Stephanie, einer Gräfin von Bismarck-Schönhausen. Manche verklärten das Ehepaar zu Ersatzmonarchen. Die politische Wirklichkeit war jedoch weitaus nüchterner.

Karl-Theodor zu Guttenberg reizt Deutschlands Politik-Riege noch aus dem Ausland. Der Freiherr arbeitet in Washington (unbezahlt) für das "Center for Strategic and International Studies" (CSIS). Er beschäftigte sich für diese politische Denkfabrik mit Problemen im transatlantischen Bündnis. Auch die EU hatte seine Dienste in Anspruch genommen. Neelie Kroes, Vizepräsidentin der EU-Kommission, hatte ihn Ende 2011 bei der europäischen "No disconnect"-Strategie trotz mancher Kritik eingebunden. Dabei ging es um die Frage, wie Internetnutzer und Cyberaktivisten in autoritär regierten Staaten unterstützt werden können.

Doch immer wieder äußerte sich Guttenberg von jenseits des Atlantiks zur Tagespolitik. Er rechnete mit Deutschlands Politiker-Gilde schonungslos ab, so als wolle er nie mehr im hiesigen Geschäft mitmischen. Oder ist alles von ihm so kalkuliert, dass angesichts seiner harschen Kritik doch irgendwann der erhoffte Ruf zur Rückkehr kommt nach dem Motto: Der Mann weiß, welche politische Wunde schmerzt und wer sie am besten verbinden kann? Bisher hat Guttenberg Tacheles geredet, doch erwägenswerte Rezepte zur Lösung der dramatischen internationalen Krisen ausgeblendet. Das macht ihn als Politiker angreifbar und unglaubwürdig.

Vor Wochen sprach er im amerikanischen "Wall Street Journal" von fahrlässigen und ignoranten Politikern, die den Westen ins Verderben stürzen. Angesichts der Krisen und Kriege in Nahost, in der Ost-Ukraine und der russischen Annexion der Krim warf er den Europäern Versagen und Blindheit vor. Europas Politiker wüssten nicht, was sie tun sollten. Sie seien "Schlafwandler", die die Folgen ihrer Tatenlosigkeit nicht erkennen. EU-Gipfel geißelte er als Schönheitswettbewerbe. Europapolitiker überböten sich in Begründungen, warum die EU angesichts der Krisen nicht handlungsfähig sei.

Das ist starker Tobak von einem Mann, der einst ministrabel war, seine Plagiatsaffäre aber miserabel managte. Oder dient das Geraune über Guttenberg und dessen vereinfachende politische Schelte nur dazu, Wähler, die sich nach starken Worten sehnen und leichte Beute für die rechte "Alternative für Deutschland" werden können, in ihrem Weg weg von der CSU aufzuhalten? Die CSU muss sich darüber klar sein, dass eine Rückkehr des Freiherrn in die politische Arena polarisieren wird. Selbst wenn er in Bayern punkten sollte, tut er das noch lange nicht im Bund.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort