Planspiele der SPD Kann Sigmar Gabriel auch Kanzler?

Berlin · Der SPD-Parteichef und Super-Minister für Energie und Wirtschaft bringt sich als möglicher Kanzlerkandidat für 2017 in Stellung.

 Immer im Einsatz: Sigmar Gabriel.

Immer im Einsatz: Sigmar Gabriel.

Foto: dpa, Tim Brakemeier

SPD-Chef Sigmar Gabriel besitzt das Talent, aus dem Nichts eine politische Idee, eine neue Parteistrategie oder nur eine Schlagzeile für die Zeitungen von morgen zu produzieren. So stand auch seine wichtigste Rede im Jahr 2013 offiziell gar nicht auf dem Programm. Als der Parteitag in Leipzig im November zu kippen drohte, weil die Basis ihrem Unmut über die große Koalition freien Lauf ließ, ging Gabriel noch einmal in die Bütt.

Er hielt eine Rede, in der er die "neue soziale Mitte" erfand. Mit diesem Begriff setzte er sich von Gerhard Schröders "neuer Mitte" ab, die bei den Sozialdemokraten mit der Agenda 2010 verbunden wird. Zugleich bedeutete er, dass er für die SPD die Wirtschaftskompetenz zurückholen wolle, die sie einst unter Schröder hatte.

Der Parteichef hat erkannt, dass eine profilierte Sozialpolitik allein nicht ausreicht, um Wahlen zu gewinnen. Die alte Weisheit des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, wonach die ökonomische Lage Wahlen entscheidet, hat sich in der SPD-Führung herumgesprochen: "Den Kanzler stellt in Deutschland immer nur die Partei, der die Leute zutrauen, dass sie die Schornsteine rauchen lässt", sagt ein Vertrauter Gabriels.

Bei der Zusammenstellung des Kabinetts beachtete Gabriel diese Weisheit mit Blick auf 2017. Der SPD-Chef baute sich beim Zuschnitt der Ministerien eine starke Wirtschaftsachse. Er selbst ist Superminister für Wirtschaft und Energie. Seine bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles steht nun an der Spitze des milliardenschweren Arbeitsministeriums. Sollten sie in den kommenden vier Jahren eine ordentliche Regierungsleistung bringen, steht Gabriel die strategische Option offen, als ökonomisch kompetenter Kanzlerkandidat mit sozialem Gewissen in die nächste Bundestagswahl zu ziehen.

Während die Sozialdemokraten im Wahlkampf keine Panne ausließen, scheint es seit dem 22. September so, als verfolgten sie einen Masterplan. Genauer: Es wirkt, als hätte Gabriel eben diesen Plan in der Schublade gehabt. Ihm glückte fast alles. Der Mitgliederentscheid, die Koalitionsverhandlungen, die Machtverteilung in der Regierung. Die mäßigen Wahlergebnisse für die Parteispitze beim Parteitag in Leipzig sind der einzige Schönheitsfehler. Doch wenn Gabriel nur die zwei Jahre durchhält, für die er als Parteichef wiedergewählt wurde, ist er der am längsten amtierende Parteichef in der Zeit nach Willy Brandt.

Seit dem Wahltag zeigt Gabriel sich in Hochform, während Kanzlerkandidat Peer Steinbrück geräuschlos die Bühne verließ. Erstaunlich bleibt der Gegensatz, wie schlecht die Kanzlerkandidatur Steinbrücks inhaltlich und organisatorisch vorbereitet war und wie strategisch ausgefeilt Gabriel das Krisenmanagement nach der verlorenen Wahl betrieb. Dieser Gegensatz wirft einen weiteren Schlagschatten auf das schwierige Verhältnis zwischen Gabriel und Steinbrück. Sollte der SPD-Parteichef derzeit tatsächlich seine eigene Kanzlerkandidatur vorbereiten, ist der Start dazu exzellent gelungen.

Während der Koalitionsverhandlungen beeindruckte der 54-Jährige auch die hart gesottenen Unionsverhandler. Erstaunlich sei, in welcher Geschwindigkeit der SPD-Parteichef emotional zwischen gewinnend, humorvoll und hart in der Tonart bei Verhandlungen wechseln könne, heißt es in der Union. Diese Eigenschaft wird er benötigen, wenn er die Energiewende mit den Ländern verhandeln muss.

Bei der Besetzung der Spitzenposten in seinem Ministerium folgte Gabriel einer Art Check-and-Balance-Gedanke. Mit Parteibuch der Grünen holte er sich den Öko-Experten Rainer Baake als Staatssekretär. Wobei Baake einer ist, der sich mit den Verfechtern der Offshore-Windenergie anlegen kann, weil diese für den Verbraucher besonders teuer ist. Als Offshore-Verfechter sitzt wiederum Staatssekretär Uwe Beckmeyer im Ministerium. Besonders interessant ist die Personalie, die erst nach der Europa-Wahl im Mai 2014 vollzogen wird. Dann soll der umtriebige frühere Thüringer Wirtschaftsminister und Gabriel-Vertraute Matthias Machnig als Staatssekretär kommen. Bis dahin darf der FDP-Mann Stefan Kapferer, Vertrauter von Ex-Wirtschaftsminister Rösler, auf seinem Posten bleiben.

Gabriels Vorteil im neuen Job ist, dass er schon einmal Umweltminister war und um die Tücken der Energiepolitik weiß. Als Vizekanzler und Wirtschaftsminister wird er gegenüber der Kanzlerin stärker auftreten, als es dies Rösler vermochte. Derzeit zeichnet sich die Strategie ab, dass Gabriel sich inhaltlich und ideologisch so breit wie möglich aufzustellen versucht, also Chef einer Volkspartei zu sein, die diesen Namen verdient. Damit eröffnet er sich die Option, die Kanzlerin mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Ein spannendes Duell ist eröffnet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort