Bundesverfassungsgericht Karlsruhe verhandelt am 10. Juli über Euro-Klagen

Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am Dienstag kommender Woche über die Eilklagen zum Euro-Rettungspaket, wie das Gericht am Montag mitteilte.

Merkel kämpft gegen die Müdigkeit
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Der Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt höhlen nach Auffassung der Kläger unter anderem das Haushaltsrecht des Bundestags aus, weil die Entscheidungen des ESM-Gremiums über Milliardenhilfen nicht demokratisch legitimiert seien.

Zu den Klägern zählen unter anderem die Fraktion der Linken im Bundestag sowie der Verein "Mehr Demokratie", dessen Verfassungsbeschwerde sich nach Angaben des Gerichts mehr als 12.000 Bürger angeschlossen haben.

Die Eil-Anträge sind darauf gerichtet, dem Bundespräsidenten zu untersagen, bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache die Zustimmungsgesetze zu den Euro-Rettungsmaßnahmen zu unterzeichnen und auszufertigen. Damit würde die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu den Maßnahmen vorerst nicht wirksam.

Im Einzelnen handelt es sich hierbei um die Gesetze zum Vertrag zur Einrichtung des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), zum Europäischen Fiskalpakt sowie zur einer Änderung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus in Staaten der Euro-Zone.

Das Gericht hatte Bundespräsident Joachim Gauck bereits gebeten, bis zu einer Entscheidung über die Eilanträge mit der Unterschrift zu warten.

Bundestag und Bundesrat hatten am späten Freitagabend mit großer Mehrheit den beiden Instrumenten zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise zugestimmt. Daraufhin waren noch in der Nacht in Karlsruhe eine Reihe von Eilanträgen, Verfassungsbeschwerden und Organklagen eingegangen.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rechnet aber nicht damit, dass Karlsruhe das Euro-Rettungspaket stoppt. Das Gericht habe bisher bei einzelnen Gesetzen Leitplanken eingezogen, die Hilfen grundsätzlich aber nicht beanstandet, sagte die Ministerin der "Passauer Neuen Presse".

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, der Gesetzgeber habe bei Fiskalpakt und ESM die Konsequenzen aus früheren Europa-Entscheidungen des Gerichts gezogen. Daneben habe der Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit, also der verfassungsändernden Mehrheit, zugestimmt, "denn hier geht es auch um Hoheitsübertragungen".

Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler trat in der "Saarbrücker Zeitung" der These entgegen, Deutschland werde durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Euro-Krise überfordert. Bei den Hilfen handle es sich "in erster Linie um grundsätzliche Zusagen und weniger um Geld, das tatsächlich fließt", sagte er.

Der CDU-Innenexperte und Kritiker des Euro-Kurses der Bundesregierung, Wolfgang Bosbach, sagte, auch die Richter wüssten, welche außen- und finanzpolitischen Wirkungen ein kategorisches Nein aus Karlsruhe hätte. Bosbach sagte unserer Redaktion, er rechne nicht mit einem Stopp für Fiskalpakt und ESM durch das Verfassungsgericht.

Er gehe davon aus, dass Karlsruhe dem Gesetzgeber kritische Hinweise gebe und zu einer "Bis-hierher-und-nicht-weiter-Entscheidung" komme. Bosbach hatte gegen den ESM gestimmt.

Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio sagte dem "Deutschlandradio", das Gericht habe bereits klargemacht, dass kein Automatismus entstehen dürfe, der den Bundestag zum Nachvollzug in haushaltspolitischen Entscheidungen zwinge.

Über ein neues Grundgesetz müsste abgestimmt werden, wenn Deutschland unwiderruflich seine völkerrechtliche Souveränität aufgebe und Gliedstaat in einem europäischen Bundesstaat werde. "Aber davon ist zurzeit ja keine Rede", unterstrich der Verfassungsrechtler.

Allerdings schloss Di Fabio nicht aus, dass Bundestag und Bundesrat erneut über die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Freitag abstimmen müssten. Diese könnten möglicherweise den Charakter des ESM verändern, wenn hilfesuchende Länder nicht mehr an strikte Auflagen gebunden würden.

Es komme jetzt drauf an, wie die Beschlüsse umgesetzt würden. Unter anderem hatte der Gipfel beschlossen, dass nach der Errichtung einer gemeinsamen Banken-Aufsicht in Europa auch direkte Hilfen des ESM an Banken möglich sein sollen - ohne den Umweg über die jeweilige Regierung.

(afp/dpa/REU)
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