Streit in Führungsspitze Kathrin Oertel schmeißt hin — Kundgebung abgesagt

Hamburg · Schwere Führungskrise bei "Pegida": Die Sprecherin der islamkritischen Bewegung, Kathrin Oertel, und vier weitere Mitglieder des Organisationsteams haben ihre Ämter niedergelegt. Unterdessen hat die Bewegung ihre für Montag geplante Demonstration abgesagt.

 Kathrin Oertel (rechts), hier im Bild mit dem "Pegida"-Gründer Lutz Bachmann.

Kathrin Oertel (rechts), hier im Bild mit dem "Pegida"-Gründer Lutz Bachmann.

Foto: afp, bb

"Kathrin hat vorerst ihr Amt als Pressesprecherin niedergelegt", teilte "Pegida" auf seiner Facebook-Seite mit und sprach von einer "Auszeit" wegen massiver Anfeindungen, Drohungen und beruflicher Nachteile. Weiter hieß es, der frühere CDU-Stadtrat von Meißen, Thomas Tallacker, habe in letzter Zeit wegen der Presseberichterstattung berufliche Nachteile gehabt. In einer Sondersitzung soll in den nächsten Tagen ein neuer Vorstand gewählt werden. Zuerst hatte das Magazin "Stern" darüber berichtet.

Wie Spiegel Online und die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf die Stadt Dresden berichten, hat "Pegida" die für Montag geplante Kundgebung abgesagt. Zu den Gründen sagte Pressesprecher Kai Schulz nichts. Auf der Facebook-Seite von "Pegida" war am Mittwoch lediglich zu lesen, dass ein "Abendspaziergang" am 9. Februar stattfinde. Die Krise bei der Bewegung nimmt damit neue Ausmaße an.

"Pegida"-Mitbegründer Lutz Bachmann sagte der "Süddeutschen Zeitung", Oertel sei zurückgetreten, weil sie aus Antifa-Kreisen massiv bedroht worden sei. Weder Oertel noch er stünden künftig für Vorstandsposten zur Verfügung. Bachmann war vor einer Woche wegen ausländerfeindlicher Facebook-Posts als Vereinschef zurückgetreten.

Auch der Wirtschaftsberater Bernd-Volker Lincke trat aus dem Führungskreis zurück. Er sagte: "Ich kann und will mich mit den Äußerungen von Lutz Bachmann nicht identifizieren." Nach seinen Worten steigen auch AfD-Mitglied Achim Exner und Vereinsvize René Jahn aus. Tallacker sagte auf Anfrage, er wolle sich vor Donnerstag nicht äußern.

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Nach Berichten mehrerer Medien wurde bei einer Sitzung des Vereinsvorstands am Dienstagabend über die Rolle Bachmanns diskutiert. Er wolle sich entgegen seiner Ankündigungen offenbar doch nicht ganz aus der Bewegung zurückziehen.

Bachmann und Oertel waren Gesichter der Bewegung

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Foto: dpa, abu tmk

Das "Orga-Team", wie es intern und von Anhängern genannt wird, besteht aus zwölf Personen. Bis auf wenige Ausnahmen sind sie auch Gründungsmitglieder des Vereins "Pegida" e.V. Seit Ende Oktober organisieren sie Märsche und Kundgebungen mit mehreren tausend Menschen. Außer Lutz Bachmann, 42, war Kathrin Oertel, 37, das bekannteste Gesicht der Protestbewegung. Unter anderem vertrat sie "Pegida" in der ARD-Talkshow bei Günter Jauch.

Neben einem Foto, auf dem Bachmann als Hitler posiert, waren in der vergangenen Woche Facebook-Kommentare aufgetaucht, in denen der "Pegida"-Initiator Bachmann Asylbewerber als "Dreckspack", "Viehzeug" und "Gelumpe" beschimpft hatte. Bachmann sah sich zum Rückzug genötigt und hatte sich vor einer Woche für seine Facebook Entgleisungen entschuldigt. Nach "Stern"-Informationen hatten jedoch mehrere Mitglieder aus "Pegida"-Orga-Team und Verein am Dienstagabend den Eindruck, seine Distanzierungen seien nicht ehrlich.

Experte unentschieden

Der Extremismus-Experte Timo Reinfrank sieht die Führungskrise nicht als Ende für das Bündnis. "Ich glaube noch nicht, dass dies das Aus ist", sagte der Koordinator der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus unterstützt, am Mittwoch. Das Bündnis hänge nicht an einzelnen Personen. Mehrere Mitglieder, die sich nun aus der Pegida-Spitze zurückgezogen hätten, seien bislang ohnehin so gut wie gar nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten. Entscheidend sei nun, ob es dem Bündnis gelinge, sich organisatorisch neu aufzustellen, um weitere Demonstrationen zu veranstalten.

Reinfrank betonte, keine andere Protestbewegung habe in den vergangenen Jahren derart viel Aufmerksamkeit bekommen und sei derart schnell gewachsen. "Auch die große Mobilisierungskraft der Bewegung in den sozialen Netzwerken sollte man nicht unterschätzen." Außerdem seien die Themen, die die Menschen auf die Straße trieben, nicht verschwunden.

Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke dagegen sieht keine Zukunft für das Bündnis. "Das ist der Anfang vom Ende der Pegida-Bewegung", sagte Funke. Derart viel Chaos könne das Bündnis nicht ertragen.

"Man kann keine Bewegung erhalten, die in sich zerstritten ist und nicht weiß, was sie will." Funke betonte: "Es spricht viel dafür, dass die Bewegung in dieser Form bald zerfallen wird." Die "Feindbildmache", die Pegida bislang betreibe, könne das Bündnis offenkundig nicht zusammenhalten. "Das Faszinosum ist längst weg."

State Department warnt US-Bürger vor Demos

Derweil hat das State Department US-Bürger in einer Reisewarnung für Deutschland auf mögliche Gefahren im Zusammenhang mit Demonstrationen der "Pegida"-Bewegung hingewiesen. Amerikaner in Deutschland sollten wegen angekündigter Proteste in einer Reihe deutscher Städte größere Menschenmengen meiden und besonders vorsichtig sein, hieß es in einer bereits am Montag herausgegebenen Mitteilung.

Konkret wurden geplante Demonstrationen in Berlin, Frankfurt, München, Dresden, Leipzig und Köln in den kommenden Wochen sowie eine Kundgebung in Düsseldorf am Rosenmontag (16. Februar) erwähnt. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) nannte die Warnung eine "bedauerliche Übertreibung". Die Sicherheitslage im Land sei unverändert stabil, Gäste aus aller Welt seien herzlich willkommen.

(ots)
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