Abstimmung im Bundestag "Die Kanzlerin muss ihren Finanzminister stoppen"

Berlin · Die Fraktionen sind mehrheitlich für Verhandlungen zum dritten Hilfspaket, aber es gibt viele Gegenstimmen in der Union. Das griechische Parlament hat Reformen zugestimmt. Montag könnten die Banken wieder öffnen.

Die Positionen der Euroländer zu einem dritten Hilfspaket
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Die Positionen der Euroländer zu einem dritten Hilfspaket

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Eine Staatspleite Griechenlands scheint für die nächsten Wochen abgewendet zu sein. Gestern früh stimmten 229 der 300 Abgeordneten im griechischen Parlament für die Umsetzung des mit den Geldgebern vereinbarten Sparprogramms. Allerdings war Ministerpräsident Alexis Tsipras auf die Stimmen der Opposition angewiesen und verlor deutlich die Regierungsmehrheit. Heute wird der Deutsche Bundestag wohl den Weg frei machen für Verhandlungen mit Griechenland um ein drittes Hilfspaket. In Sondersitzungen stimmten die Fraktionen von Union und SPD gestern Abend schon dafür. Allerdings gibt es in der Union auch eine breite Front gegen Verhandlungen: In der Sondersitzung kündigten 48 Abgeordnete für heute ein Nein an, drei enthielten sich. Die Fraktion zählt 311 Abgeordnete.

Die SPD-Fraktion votierte dagegen mit großer Mehrheit für die Verhandlungen; es gab keine Enthaltungen und nur zwei Gegenstimmen — vom früheren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und dem Haushaltsexperten Thomas Jurk. Auch die Grünen unterstützen ein drittes Griechenland-Hilfspaket, wollen sich heute im Bundestag aber mehrheitlich enthalten.

Angela Merkel: erst Geburtstag, dann Griechenland-Rede
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Die Eurogruppe stimmte gestern im Grundsatz zu, dass Griechenland ein neues Hilfspakt mit Krediten für drei Jahre erhalten soll. Da es aber noch Wochen dauern wird, bis das Paket steht, haben die europäischen Ländern sich zudem auf einen Überbrückungskredit bis August im Umfang von sieben Milliarden Euro geeinigt. Die Zeit drängt: Schon am Montag muss das Land 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen.

Um eine Pleite der griechischen Banken zu verhindern, beschloss die EZB, den Topf für Notkredite um 900 Millionen auf über 80 Milliarden Euro zu erhöhen. Nun hoffen die Griechen, dass die Banken am Montag wieder öffnen. Dann waren die Schalter drei Wochen lang geschlossen. Vielen geht das Bargeld aus. EZB-Präsident Mario Draghi begründete die Erhöhung mit positiven Signalen wie dem Ja zu Reformen im griechischen Parlament. Zugleich ließ die EZB den Leitzins unverändert bei 0,05 Prozent.

In der Unionsfraktion gab es gestern eine kontroverse Debatte bis in die Nacht. Zu Beginn der Sitzung verteidigte die Kanzlerin die harte Haltung der Deutschen in Brüssel. Zu den Sparauflagen, die die Eurogruppe den Griechen diktiert hatte, sagte Merkel, deswegen müsse man "kein schlechtes Gewissen haben". Schließlich gehe es um viel Geld.

Grexikon – das griechische Schuldendrama von A bis Z
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Foto: Phil Ninh

Vor den Treffen der Abgeordneten, von denen viele aus dem Urlaub anreisten, gab es Ärger in der großen Koalition. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Morgen seinen Plan für einen Grexit erneut als Option beworben, also einen Ausstieg der Griechen aus der Währungsunion. SPD und Grüne reagierten empört: "Die Kanzlerin muss ihren Finanzminister stoppen", forderte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Auch die SPD ermahnte den Finanzminister: "Ich erwarte von allen Regierungsmitgliedern, dass sie mitziehen", sagte Fraktionschef Thomas Oppermann.

Die Verteidigung der Union für Schäuble ging weit über die übliche parteipolitische Pflichtschuldigkeit hinaus. Abgeordnete zeigten sich vor der Sitzung erfreut. Auch von EU-Ebene gab es Rückendeckung: "Schäubles Aussage, die er jetzt wiederholt hat, ist eine Selbstverständlichkeit: Wenn die eine Seite sich nicht an die Absprache hält, gilt die ganze Absprache nicht mehr", sagte Elmar Brok (CDU), Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Er verwahrte sich auch gegen die teils bösen Anwürfe gegen den deutschen Finanzminister. "Die Kritik an der deutschen Politik ist ungerechtfertigt", sagte Brok. "Die Finnen, die Balten, die Portugiesen, die Niederländer — alle nehmen dieselbe harte Haltung ein."

(may-/mar/qua)
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