Union fordert umfassende Korrekturen bei Hartz IV Kauder: Arbeitslose sollen ohne Bezahlung arbeiten

Berlin (rpo). Obwohl sich Spitzenpolitiker der Großen Koalition darauf geeinigt haben, die Hartz-IV-Leistungen vorerst nicht zu kürzen, dringt die Union weiter auf Korrekturen der Reform. Unionsfraktionschef Volker Kauder fordert, jeder Empfänger von Arbeitslosengeld müsse eine Gegenleistung bringen - und das auch ohne zusätzliche Bezahlung wie im Falle der Ein-Euro-Jobs.

"Es darf nicht der Eindruck entstehen, in Deutschland bekommt man als Arbeitsfähiger eine Grundsicherung und kann den ganzen Tag im Bett liegen bleiben", sagte Kauder der "Süddeutschen Zeitung". Es müsse "jeder, der Leistungen nach Hartz IV erhält, etwas tun für die Gesellschaft".

Dafür müsse es nicht immer einen Zuverdienst geben wie bei den Ein-Euro-Jobs. "Die Notwendigkeit, den einen Euro zu zahlen, sehe ich nicht in jedem Fall", sagte Kauder. Er forderte auch eine Revision der Zuverdienstregelung. Viele arbeiteten genau so viel, dass sie den erlaubten Betrag von 160 Euro bekämen und nicht mehr. "Hartz IV wird als Grundlohn betrachtet, den man durch Zusatzarbeit ergänzt. So war das nicht gedacht", kritisierte Kauder.

Der CDU-Politiker, der die Arbeitsgruppe der Union zur Revision von Hartz IV leiten wird, will zudem den Druck auf Arbeitslose erhöhen, einen Job anzunehmen. So müsse auch ein arbeitsloser Manager zum Spargelstechen oder zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Kauder sprach sich gegen eine Kürzung des Arbeitslosengelds II aus. Er wolle aber "hart kürzen, wenn Arbeit nicht angenommen wird".

Einsparungen im Haushalt

Die Mehrkosten für das Arbeitslosengeld II im Jahr 2006 sollen durch Einsparungen im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit aufgefangen werden. Vorerst soll es also keine Kürzungen beim Arbeitslosengeld II geben. Doch die Union besteht weiter auf Korrekturen bei Hartz IV.

Ungeachtet der Einigung bestehen CDU und CSU auf weiteren Korrekturen der Hartz-IV-Reform über das am Donnerstag zur Verabschiedung anstehende Optimierungsgesetz hinaus.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber machte sogar den Erfolg der Koalition von dem Gelingen der Arbeitsmarktreform abhängig. Demgegenüber sieht der zuständige Ombudsrat keinen Anlass für eine Generalüberholung der Hartz-IV-Gesetze und warnt nachdrücklich vor Panikmache.

SPD-Fraktionschef Peter Struck teilte nach einem Treffen mit Unionsfraktionschef Volker Kauder, Finanzminister Peer Steinbrück und Arbeitsminister Franz Müntefering mit: "Wir haben eine Regelung gefunden, die mit dem Haushaltsvolumen auskommt." Eine Erhöhung der Kreditaufnahme werde es nicht geben. Einzelheiten nannte er nicht.

Nach Angaben aus Koalitionskreisen haben sich die vier Politiker darauf verständigt, 1,1 Milliarden Euro beim Eingliederungszuschuss einzusparen, den Arbeitgeber erhalten, wenn sie schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose einstellen. Rund 200 Millionen Euro sollen bei den Kosten für Unterkunft gespart werden. Weitere 500 Millionen Euro sollen durch die Behebung der vom Bundesrechnungshof kritisierten Mängel zusammenkommen.

Stoiber fordert grundlegende Korrektur

Stoiber forderte eine grundlegende Korrektur der "milliardenteuren Fehlentwicklungen". Die von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) geplanten kleinen Schritte reichten nicht, sagte er in München. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und einige unionsregierte Länder wollten bis zum Sommer Änderungen vorschlagen, um "mit unserem Koalitionspartner möglichst viele ALG-II-Empfänger möglichst schnell in Arbeit" zu bringen. "Daran misst sich auch der Erfolg der Großen Koalition", betonte der CSU-Chef.

CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen sagte, der Koalitionsausschuss am Sonntagabend sei sich einig gewesen, dass weitere Überprüfungen notwendig seien. Es müsse nüchtern geprüft werden, ob mit der Reform nicht falsche Anreize gegeben werden.

Als Beispiel nannte Röttgen die Auflösung funktionierender Solidargemeinschaften in mehrere Bedarfsgemeinschaften, deren jede einen eigenen sozialrechtlichen Unterhaltsanspruch begründet. Auch das so genannte "Aufstocken" geringer Einkommen mit Arbeitslosengeld II müsse überprüft werden.

"Nicht aller Tage Abend"

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer erklärte ebenfalls unter Berufung auf die Beratungen im Koalitionsausschuss, Hartz IV werde "weiter an Haupt und Gliedern überprüft". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe am Schluss der Diskussion festgestellt, dass das Optimierungsgesetz "nicht aller Tage Abend sein" könne.

Dagegen plädierte Ombudsratssprecher Hermann Rappe dafür, erst die Wirkungen des Optimierungsgesetzes abwarten. Insgesamt habe sich Hartz IV bewährt und werde sich künftig noch positiver entwickeln. Kürzungen sind nach den Worten Rappes nicht notwendig, aber Missbräuche müssten gezielter als bisher verfolgt und geahndet werden. Das gelte vor allem für Bedarfsgemeinschaften und für Jugendliche, die pro forma zuhause auszögen.

(ap)
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