Union-Fraktionschef Kauder: Guttenberg zeigt Stärke

Berlin (RP). Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), stärkt dem in Bedrängnis geratenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg den Rücken. Außerdem fordert er eine Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Auch die Krise der Euro-Länder, die möglichen Kosten des Kompromisses bei der Hartz-IV-Reform und die ermäßigte Mehrwertsteuer für Hotels waren ein Thema.

 Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) will die Kritik nicht gelten lassen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) will die Kritik nicht gelten lassen.

Foto: AP, AP

Ist Verteidigungsminister zu Guttenberg nur ein Minister auf Abruf?

Kauder Karl-Theodor zu Guttenberg hat gezeigt, dass er Fehler zugeben kann. Das ist ein Zeichen von Stärke.

Müssen Sie fürchten, dass bürgerliche Wähler zu ihm auf Distanz gehen?

Kauder Nein. Jeder Mensch ist fehlbar. Das wissen wir alle. Aus meinem Glauben heraus verzeihe ich dies, wenn sich der Betreffende entschuldigt. Den fehlerfreien Menschen gibt es nicht.

Kommt er weiterhin für alle politischen Ämter in diesem Land infrage?

Kauder Karl-Theodor zu Guttenberg hat große Fähigkeiten. Er hat die größte Reform der Bundeswehr in ihrer Geschichte auf den Weg gebracht. Es wird Jahre brauchen, bis dann unsere Streitkräfte, die sich zudem in gefährlichen Einsätzen befinden, tatsächlich modernisiert sind. Ich bin davon überzeugt, dass der Minister diese Aufgabe packen wird. An der Erfüllung dieser Aufgabe ist er aber auch zu messen.

Unterstützen Sie den zusätzlichen Finanzbedarf für die Reform?

Kauder Der Umbau der Bundeswehr ist keine gewöhnliche Reform. Mit ihr wird eine ganz wichtige Institution in unserem Land grundlegend verändert. Dazu braucht der Minister einen gewissen Spielraum. Den soll er jetzt bekommen. Klar ist aber auch, dass der Verteidigungsminister sparen muss, wo er kann. So wie jedes andere Kabinettsmitglied auch. Die dringend notwendige Sanierung unserer Staatsfinanzen geht alle an.

Die Fraktionen von Union und FDP haben die Kanzlerin verärgert, weil sie ihr für die Euro-Verhandlungen enge Vorgaben gemacht haben. Trauen Sie Angela Merkel das nicht zu?

Kauder Nach dem Vertrag von Lissabon ist der Bundestag stärker an der Europapolitik zu beteiligen. Deswegen bin ich schon der Auffassung, dass wir vor wichtigen Gipfeln der Bundesregierung signalisieren, was wir für Vorstellungen haben. Und das durchaus deutlich. Allerdings müssen wir darauf achten, dass die Bundeskanzlerin oder der Bundesfinanzminister in den Verhandlungen noch flexibel agieren können. Wir haben aber zwei Erwartungen: Europa darf nicht zur Transferunion werden. Und daher kann es auch keine Eurobonds geben.

Es soll keine Zustimmung für einen Rettungsmechanismus geben, der Staatsanleihen aufkauft?

Kauder Dies ist die klare Position der Bundestagsfraktion. Und wir bestehen auch auf der Einstimmigkeit, also im Zweifel einem Vetorecht Deutschlands. Denn wir wollen eben nicht, dass wir auf Umwegen doch in eine Haftungsgemeinschaft hineinkommen. Es darf nicht sein, dass da einzelne Staaten ständig über die Stränge schlagen und wenn es schief geht, dann die anderen EU-Staaten dafür haften. Das sieht die Bundesregierung genauso.

Wie finden Sie die Idee, durch eine Reform der Mehrwertsteuer Spielraum für eine Senkung der Einkommensteuer zu gewinnen?

Kauder Es bleibt dabei, dass wir unvor allem auf die Haushaltskonsolidierung konzentrieren und uns 2012 anschauen, welche Spielräume wir in diesem Rahmen dann noch für Steuerentlastungen haben. Natürlich wollen wir gegen die kalte Progression vorgehen, damit von den Lohnerhöhungen mehr bei den Arbeitnehmern bleibt. Die kalte Progression ist ungerecht. Wir stärken aber nicht das Vertrauen, wenn wir andauernd irgendetwas ankündigen. Wir werden intern beraten, und auch intern schauen, was geht. Die Kraft liegt zur Abwechslung mal im Schweigen. So groß, wie mancher glaubt, werden die Spielräume im Übrigen aber nicht sein.

Hängen Sie an der Hotelsteuer?

Kauder Wenn wir zu einer umfassenden Mehrwertsteuer-Reform kommen wollen, können wir die abgesenkte Mehrwertsteuer für Hotels und Gaststätten nicht aus der Debatte herauslassen. Das ist klar.

Die Hartz-IV-Sätze sind jetzt an Löhne und Inflation gekoppelt. Wird der Kompromiss am Ende richtig teuer?

Kauder Wir waren nicht frei in unseren Entscheidungen. Das Verfassungsgericht hat uns vorgegeben, die Sätze transparent zu berechnen und an die Lohn- und Preisentwicklung zu koppeln.

Und das können Sie Rentnern vermitteln, deren Renten nicht automatisch mit den Preisen steigen?

Kauder Ich glaube schon, dass das vermittelbar ist, denn die Renten werden in der nächsten Zeit wegen der gestiegenen Löhne ebenfalls höher ausfallen. Eines wird die Bevölkerung aber nicht verstehen: Wenn jemand, der Hartz IV bezieht, in der Regel besser stehen kann, als wenn er arbeitet. Das Lohnabstandsgebot muss eingehalten werden. Außerdem haben wir zu wenig Arbeitskräfte. Es geht nicht, dass junge arbeitsfähige Leute Hartz-IV-Empfänger bleiben. Hier müssen wir vor allem ansetzen und nicht am Ausbau von Hartz-IV-Leistungen.

Am Sonntag kommt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach Deutschland. Gerade wurde das Eigentum eines christlichen Klosters in der Türkei enteignet. Wie bewerten Sie das?

Kauder Ich verlange von der EU, dass in den Gesprächen über eine Aufnahme der Türkei keine neuen Verhandlungskapitel eröffnet werden, solange die Türkei nicht die volle Religionsfreiheit gewährleistet. Die Türkei muss sich hier nicht mehr nur an Worten, sondern an klaren Zeichen messen lassen. Dazu gehört für mich, dass die griechisch-orthodoxen Christen ihre Priester wieder in der Türkei ausbilden dürfen.

Auch Mor Gabriel ist ein kritischer Punkt. Ich habe den Eindruck, dass die aramäischen Christen hier bewusst bedrängt werden, um aus einem aktiven Kloster ein stilles Museum zu machen. Die Situation muss politisch befriedet werden. Ich würde mich freuen, wenn der türkische Ministerpräsident Erdogan auf seinem Deutschlandbesuch an diesem Wochenende hier einmal ein klares Wort sagt. Die Türkei sollte sich zu wahrer Toleranz gegenüber allen Religionen verpflichten, gerade gegenüber dem Christentum, das in der Türkei eine ihrer Wurzeln hat.

In Nordafrika herrscht Aufruhr und Europa steht vor einer massiven Flüchtlingswelle. Muss die EU die Grenzen aus humanitären Gesichtspunkten vorübergehend öffnen?

Kauder Die EU muss auf die Entwicklung im arabischen Raum insgesamt geschlossener vorgehen. Dass bisher keine Sanktionen gegen Libyen ausgesprochen sind, ist angesichts der offensichtlichen Gräuel des Gaddafi-Regimes nicht akzeptabel. Eine generelle Öffnung der Grenzen sollte es aber nicht geben - und zwar im eigenen Interesse der Länder Nordafrikas. Gerade Länder wie Ägypten und Tunesien, wo die Entwicklung weiter ist als in Libyen, brauchen jetzt ihre Eliten, die jetzt vielleicht nach Europa drängen.

Michael Bröcker und Gregor Mayntz führten das Gespräch.

(RP)
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