Europa streitet über Flüchtlinge auf Lampedusa Kleine Insel, große Frage

Rom (RPO). Zwanzig Quadratkilometer klein, 4500 Einwohner: Über die kleine Insel Lampedusa streiten die Mächtigen. Italien fühlt sich mit steigenden Flüchtlingszahlen aus Nordafrika überfordert und droht den nordlichen Ländern damit, die Menschen einfach weiterzuschicken. Heute tagen die Innenminister in Luxemburg. Wieder einmal zeigt sich, wie zerstritten der Kontinent in wichtigen Fragen ist.

 Diese Familie hofft in Europa auf ein besseres Leben. Am Montag kamen erneut 226 Menschen in Lampedusa an.

Diese Familie hofft in Europa auf ein besseres Leben. Am Montag kamen erneut 226 Menschen in Lampedusa an.

Foto: AFP, AFP

Rom (RPO). Zwanzig Quadratkilometer klein, 4500 Einwohner: Über die kleine Insel Lampedusa streiten die Mächtigen. Italien fühlt sich mit steigenden Flüchtlingszahlen aus Nordafrika überfordert und droht den nordlichen Ländern damit, die Menschen einfach weiterzuschicken. Heute tagen die Innenminister in Luxemburg. Wieder einmal zeigt sich, wie zerstritten der Kontinent in wichtigen Fragen ist.

Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist sauer. Sauer auf Italien. Denn die Italiener drohen den nördlichen EU-Ländern offen. Wenn die EU den Italienern nicht beim Umgang mit den Flüchtlingen von Lampedusa hilft, könnten die dort Gestrandeten mit Visa-Papieren versorgt werden. Die Menschen, vornehmlich stammen sie aus Tunesien, könnten dann legal nach Frankreich oder Deutschland reisen und dort Asyl beantragen.

Friedrich will diese Flüchtlinge nicht. "Wir können nicht akzeptieren, dass über Italien viele Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa kommen", sagte Friedrich bei einem EU-Innenministertreffen in Luxemburg. "Deswegen erwarten wir, dass Italien die rechtlichen Vorschriften beachtet und seine Aufgaben mit Tunesien erledigt." Vorsorglich will Friedrich die deutschen Grenzen abschotten.

Den Begriff "Erpressung" hört Italien nicht gerne

Man habe zwar noch keine Erkenntnisse, dass sich die Zufluchtszahlen erhöht hätten. Situationsbedingt könne man den Kontrolle an den Grenzen verstärken. Frankreich hat dies bereits getan. Und überhaupt: Italien sei ein so großes Land, dass es 23.000 Flüchtlinge aufnehmen könne, glaubt Herrmann.

Das Wort Epressung hören die Italiener im Zuge des Lampedusa-Streits ungern. Die Regierung in Rom fühlt sich von seinen Nachbarn im Stich gelassen. Der Umgang mit Flüchtlingen sei ein gesamteuropäisches Problem. Nur weil Italien das "geografische Pech" mit seinen südlichen Inseln habe, dürfe das Land nicht mit den Folgen der Flüchtlingswelle allein gelassen werden.

Notstand inszeniert?

Das Argument, dass bisher nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge tatsächlich Asyl beantragt habe, will die Regierung Berlusconi nicht gelten lassen. Schließlich sei durch die immer neuen Unruhe im Norden Afrikas kein Ende des Menschenstroms nach Norden abzusehen. Vorwürfe, Italien halte die Lage auf der Inseln bewusst in einem prekären Zustand, um den öffentlichen Druck hochzuhalten, weist Rom zurück.

Europa gibt erneut ein zerstrittenes Bild ab. Ähnlich wie beim militärischen Eingreifen in Libyen schaffen es selbst die großen Ländern der Gemeinschaft nicht, eine einheitliche Linie in einer grundlegenden aktuellen Frage zu finden. Von moralischen Fragen ganz zu schweigen.

Bedrohliches Vokabular

Bei den Revolutionen im Norden Afrikas hielt sich Europa lange zurück. Erst als die Sieger feststanden, jubelten Europas Regierungen mit. Flüchtlinge aufnehmen? So weit soll die Solidarität mit den Menschen im Maghreb dann nicht nicht gehen. Für den bisherigen Tiefpunkt sorgte Italiens Außenminister Franco Frattini, der die Männer, Frauen und Kinder in den Lagern von Lampedusa einen "menschlichen Tsunami" nannte.

Inzwischen wird die öffentliche Kritik lauter. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte im "Deutschlandfunk" die Haltung der Bundesregierung: Es sei ein "seltsames Verständnis von europäischer Partnerschaft", wenn die Italiener mit den aus Nordafrika Geflüchteten allein gelassen würden. "Wir dürfen nicht das Signal setzen, Europa schließt die Tore".

Eine Lösung ist nicht in Sicht

Zur Solidarität mit Flüchtlingen aus Nordafrika ruft auch die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl auf. An die Bundesregierung appellierte Pro Asyl am Montag, großzügig die Aufnahme eines Teils dieser Flüchtlinge zuzusichern. Dem Innenminister wirft Pro Asyl "populistische Debattenbeiträge".

Dass sich die Innenminister an diesem Montag bei ihrem Treffen in Luxemburg auf einer belastbare Lösung einigen, wird nicht erwartet. Hunderte Tunesier lassen sich von dieser Unsicherheit nicht von ihrer Flucht abhalten. Nach Angaben der Behörden kamen am Montag weitere 226 Flüchtlinge auf Lampedusa an. Damit harren auf der kleinen Insel mittlerweile wieder rund 1500 illegale Einwanderer aus. Was aus den Menschen werden soll, weiß an diesem Montag niemand.

(AFP/RTR/DAPD/csi)
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