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Finale mit Diktator Knatsch um Merkels EM-Pläne

Die Kanzlerin würde ihrer Fußball-Leidenschaft wohl auch gerne nachgehen, falls Deutschland ins EM-Finale kommt. Angeblich hat sie sich bereits entschlossen. Doch der Preis für das Ticket ist teuer. Das Endspiel findet in der ukrainischen Hauptstadt Kiew statt, auf der Tribüne wartet ein geächteter Präsident. Die Grünen attestieren der Kanzlerin ein scheinheiliges Verhalten.

 Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch pflegt einen autoritären Regierungsstil.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch pflegt einen autoritären Regierungsstil.

Foto: dpa, Sergey Dolzhenko

Rückblick: Wenige Wochen vor Beginn der EM überbietet sich die Politik mit Boykott-Drohungen gegen die Regierung der Ukraine. Anlass dazu bietet die unmenschliche Behandlung der Oppositionsführerin Julia Timoschenko.

Das Regime des autoritär regierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch überzieht die frühere Regierungschefin mit Prozessen, um sie endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Die Empörung ist einhellig. Aus dem Kanzleramt heißt es, Merkel werde ihren Ministern empfehlen, die EM zu boykottieren, sollte Timoschenko nicht freigelassen werden.

Merkel hat den Fußball lieben gelernt

Was für sie selbst gelten werde, ließ Merkel hingegen offen. Dem Außenminister der Ukraine wurde allerdings Regierungskreisen zufolge noch gedroht. Ein EM-Besuch der Kanzlerin sei keinesfalls sicher.

Das war im April. Jetzt ist Juni, die EM neigt sich bereits dem Ende zu. Merkel hat die Spiele aufmerksam verfolgt. In Berlin weiß man, dass sich ihr anfängliches Fremdeln mit König Fußball mit den Jahren in eine herzliche Zuneigung verwandelt hat.

Als das DFB-Team gegen Griechenland erstmals nicht in der Ukraine, sondern auf polnischem Boden spielte, eilte die Kanzlerin umgehend ins Stadion und verschob dafür eigens ein Treffen mit den europäischen Regierungschefs Hollande (Frankreich), Rajoy (Spanien) und Monti (Italien).

Reisepläne stehen angeblich fest

Im Halbfinale gegen Italien in Warschau wird sie nicht dabei sein können, weil in Brüssel ein EU-Gipfel anberaumt ist. Der lässt sich nicht verschieben. Dafür ist aber der 1. Juli in ihrem Kalender fest notiert. Am Sonntag ist Final-Tag.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtet am Dienstag, Merkel werde genau das tun, was sie schon nach dem Sieg gegen Griechenland in der Mannschaftskabine versprochen, öffentlich aber nicht bestätigt hat: Sie wolle zum EM-Endspiel fliegen, wenn denn die Löw-Elf nach dem Halbfinale gegen Italien als Sieger vom Platz geht.

Sportlich ist das nahezu logisch. In anderen, politisch unbescholtenen Ländern, wäre der Besuch eine Selbstverständlichkeit, ja nahezu Pflicht. Doch das Finale findet in der ukrainischen Hauptstadt Kiew statt, auf der Tribüne wartet auf Merkel in Person von Präsident Janukowitsch unangenehme Gesellschaft. Wie sagte noch Merkels damaliger Minister Norbert Röttgen im April? "Es muss unbedingt verhindert werden, dass das ukrainische Regime die EM zur Aufwertung seiner Diktatur nutzt."

Protest der Grünen

Das aber wäre zweifellos der Fall, wenn sich Janukowitsch freudestrahlend an der Seite der deutschen Kanzlerin fotografieren lassen könnte. Merkels Reise wäre belastet von massiver internationaler Klage über die Menschenrechtslage in der Ukraine, insbesondere über den Umgang mit Timoschenko. Verbessert hat sich an ihrer Lage nichts, auch nicht die vorübergehende Betreuung durch deutsche Ärzte.

Politiker der Grünen forderten Merkel bereits unmissverständlich zum Verzicht auf einen Finalbesuch auf. Eine solche Reise sei ein "vollkommen falsches Signal", sagte die sportpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Viola von Cramon, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Sollte Merkel neben dem ukrainischen Präsident Viktor Janukowitsch auf der Tribüne sitzen, würde sie ihm Bilder liefern, "die er will und die seine Wiederwahl im Oktober begünstigen werden". Die Teilnahme sei auch nicht mit der Fußball-Begeisterung der Kanzlerin zu rechtfertigen.

Nun rätselt Berlin, wie Merkel sich womöglich aus dem EM-Dilemma winden könnte.

Variante eins: Der zur Neutralität verpflichtete UEFA-Chef Michel Platini wird zwischen Merkel und Janukowitsch platziert. Die Kameras würden trotzdem beide Politiker einfangen. Gewonnen wäre nichts.

Variante zwei: Merkel besucht in Kiew Unterstützer Timoschenkos, die ihre Basis direkt an der Fanzone aufgeschlagen haben, die zum Ärger von Janukowitsch zum Besuchermagnet geworden ist.

Kritiker hatten dafür wohl nicht mehr als ein Lächeln übrig. Sie fordern etwa anderes.

Variante drei: So sagt der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Tom Koenigs (Grüne), der dpa: "Wenn natürlich es Frau Merkel gelänge, Frau Timoschenko mitzubringen, dann soll sie auch aufs Spiel gehen, dann gewinnen wir auch die Europameisterschaft."

Ganz so siegesgewiss ist man sich im politischen Berlin aber noch nicht. Denn diesen Preis dürfte Janukowitsch, Erzfeind Timoschenkos, für ein Foto mit der Kanzlerin kaum zahlen. Falls doch, wäre Merkel allerdings die Meisterin.

(dpa)
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