Holocaust-Eklat Knobloch bricht Kontakt zur Kirche ab

Düsseldorf (RP). Papst Benedikt XVI hat seine "unbestreitbare Solidarität" mit den Juden bekräftigt. Doch die Debatte um den Holocaust-Leugner Bischof Williamson hat im christlich-jüdischen Dialog Gräben aufgeworfen. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, vermag derzeit für ein Gespräch mit der Kirche keine Grundlage mehr zu erkennen.

 Charlotte Knobloch zeigt sich empört über die Äußerungen des Papstes.

Charlotte Knobloch zeigt sich empört über die Äußerungen des Papstes.

Foto: ddp, ddp

"Ich habe es hier nicht mit Menschen zu tun, die nicht wissen, was sie tun. Der Papst ist einer der gebildetsten und intelligentesten Menschen, die die katholische Kirche hat, und jedes Wort, das er ausspricht, das meint er auch und das ist auch fundiert", sagte Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegenüber unserer Redaktion. "Momentan", so betonte sie, "wird es unter solchen Voraussetzungen zwischen mir und der Kirche sicher kein Gespräch geben."

 Der wieder in den Schoß der Kirche aufgenommene britische Bischof Richard Williamson hat mehrfach den Holocaust geleugnet.

Der wieder in den Schoß der Kirche aufgenommene britische Bischof Richard Williamson hat mehrfach den Holocaust geleugnet.

Foto: ddp, ddp

Diesen Äußerungen voraus ging der Tag der Widerrufe, Statements und Kommuniqués. Das nennt man normalerweise Diplomatie. Ab einer bestimmten Blattzahl muss es Krisenmanagement heißen. Wenn aber solche Mühen der Verständigung kein Ende nehmen, beginnt man zu ahnen, dass etwas aus dem Ruder gelaufen sein muss: wie derzeit der Dialog zwischen dem Vatikan und den Juden, der nach den Holocaust-Leugnungen des Traditionalisten-Bischofs Richard Williamson immer hilfloser zu werden droht.

Ablesbar wird dies an zwei Äußerungen: Während Papst Benedikt XVI. am Mittwoch jede Leugnung des Holocaust verurteilte, brach das israelische Oberrabbinat seine offiziellen Kontakte zum Vatikan ab. Das nächste Treffen mit dem vatikanischen Einheitsrat — geplant für Mitte März — wurde vertagt.

Zum Auffälligsten des gestrigen Tages gehörten drei Videos auf der Youtube-Plattform des Vatikans: Sie zeigen Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz 2006, seine Rede in der Kölner Synagoge zum Weltjugendtag sowie eine Bilanz seiner ersten Polen-Reise. Auch sie sollen belegen helfen, wie ernst und wichtig der deutsche Papst die Aussöhnung mit den Juden nimmt.

Selbst aus Kirchenkreisen werden solche digitalen Wege der Aufklärung eher als Zeichen der Hilflosigkeit gewertet. Denn all das kommt zu spät und vor allem erst auf Druck einer erregten Debatte über die Rehabilitierung der erzkonservativen Priesterbruderschaft St. Pius X., in deren Reihen mit Bischof Richard Williamson (68) ein Leugner der Judenvernichtung ist.

Schon die ersten Erklärungsversuche aus dem Vatikan waren dünn. Natürlich, Papst Benedikt hat keinen Antisemiten begnadigt, wie es zunächst im medialen Übereifer hieß. Dennoch war die Erwiderung des Vatikansprechers unbedacht, dass aus theologischer Sicht das eine mit dem anderen nichts zu tun habe. Denn es geht nicht darum, die Rücknahme der Exkommunikation sauber von historisch inakzeptablen Ansichten eines einzelnen Bischofs zu trennen. Vielmehr ist zu fragen, ob eine Priesterbruderschaft überhaupt die Aufnahme in die katholische Kirche verdient, die in ihren Reihen einen Holocaust-Leugner als Bischof wenigstens duldet.

Hier ist keine Theologie gefragt, sondern, schlicht gesprochen: Fingerspitzengefühl. In diesem Prozess der Aussöhnung geht es darum, die Kirche als einen Raum zu bewahren, in dem keine moralische Unsicherheit besteht.

Der Dialog mit den Juden ist aus christlicher Sicht darum so bedeutend, weil er mit dem Holocaust aus den Fragestellungen der Theologie herausgelöst und in ein historisches Feld gestellt wird. Die Erinnerung an die Judenvernichtung setzt moralische Maßstäbe der Moderne — mit dem Holocaust als Ausgangspunkt globaler Gerechtigkeit: Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" vor 60 Jahren geht auch auf die Vernichtung der Juden zurück.

Die Videos im Internet sind zweifelsohne ein Dokument der ehrlichen Aussöhnung. Am gestrigen Tag aber wurden sie Mittel einer Diplomatie, die der Vatikan zuvor auffallend schlecht zu handhaben wusste. Die Rehabilitierung der erzkonservativen Priesterbruderschaft ist mehr als nur ein Betriebsunfall im Vatikan. Zumal Papst Benedikt XVI. noch als Präfekt der Glaubenskongregation sehr gute Kenntnisse über die weltweit vertretene Gruppierung sammeln konnte.

Wer es behutsam formulieren möchte, könnte von der misslungenen Dramaturgie einer ansonsten symbolbedachten Kirche sprechen. So reichte Benedikt der Priesterbruderschaft ausgerechnet am 24. Januar seine Hand, dem Vorabend eines gewichtigen Jahrestages. Denn 50 Jahre zuvor — am 25. Januar 1959 — hatte Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil und damit auch die Öffnung der Kirche angekündigt. Gerade zu den Errungenschaften des Konzils bekennt sich die Priesterbruderschaft nicht. Wenige Tage später folgte noch der Holocaust-Gedenktag.

Erst aus diesem Gemisch konnte jenes fatale Bild von einer Kirche entstehen, die im christlich-jüdischen Dialog auf Schlingerkurs geraten ist. Und es fällt Bösmeinenden nicht schwer, weitere Belege dafür zu finden, wie etwa die Einführung der alten Karfreitagsfürbitte vor einem Jahr, in der wieder um die Erleuchtung der Juden gebetet wird.

Eine der letzten Stellungnahmen kam an diesem ereignisreichen Mittwoch aus den Reihen der umstrittenen Priesterbruderschaft St. Pius X.: Sie bittet um Entschuldigung und zeigte sich "erschüttert" über die Äußerungen von Bischof Williamson. "Die Verharmlosung der Judenmorde des NS-Regimes", so der deutsche Distriktobere Pater Franz Schmidberger, "ist für uns inakzeptabel."

(RP)
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