Abschlussrunde der Koalitionsverhandlungen Ein paar Knackpunkte gibt es noch

Berlin · Endspurt: Am Mittwoch soll der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD stehen. In den letzten Stunden müssen die Parteispitzen jedoch noch einige Kühe vom Eis schaffen. In zwei Fällen dürfte dies noch besonders schwierig werden, bei zwei weiteren könnte es leichter werden. Die Entscheidung soll spätestens in dieser Nacht fallen.

 SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles stellt sich auf eine lange Nacht ein.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles stellt sich auf eine lange Nacht ein.

Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Ohne Einigung in den drei zentralen Streitpunkten Rente, Mindestlohn und Pkw-Maut sind Union und SPD in die voraussichtlich letzte Runde der Koalitionsverhandlungen gegangen. "Der heutige Tag hat es in sich, da liegen noch dicke Brocken vor uns", sagte SPD-Unterhändler Hubertus Heil am Dienstagmorgen. Spekulationen aus der CSU, die Gespräche könnten in die Verlängerung gehen, wies er zurück. "Ich finde es nicht sinnvoll, Dinge in die Länge zu ziehen." Und tatsächlich kommt offenbar Bewegung in die Verhandlungen — zumindest in Bezug auf zwei zentrale Punkte.

Es wird bis in die frühen Morgenstunden gehen

"Es wird eine lange Nacht. Aber das wussten wir ja", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Dienstag beim Eintreffen zu einer Sitzung der kleinen Verhandlungsrunde in der SPD-Zentrale in Berlin. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte auf die Frage, auf wie viele Änderungen am Entwurf zum Koalitionsvertrag man sich schon geeinigt habe: "Immer mehr. Aber es wird immer besser."

Nahles antwortete auf die Frage, welche Punkte noch abgeräumt werden müssten: "Wir haben immer noch die großen Themen. Die lassen sich jetzt nicht mehr aufschieben." Hubertus Heil sagte zum Verhandlungsstand: "Es gab Fortschritte, aber es gibt noch keinen Durchbruch." SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks sagte, man habe sich "an vielen Stellen geeinigt", verriet aber nicht an welchen.

Woran es noch hakt

Rente Ferner geht es um Rentenverbesserungen. Die Finanzierung ist strittig. Besonders stark schlägt dabei die von der Union geplante Mütterrente zu Buche. Die SPD besteht auch noch darauf, dass langjährig Versicherte, die 45 Jahre lang gearbeitet künftig abschlagfrei mit 63 Jahren in Renten gehen können.

Die Union schlägt dazu im Entwurf vor: "Die bessere Anerkennung (der Erziehungsleistung) ist durch die gute finanzielle Situation der Rentenversicherung und vorhandene Mittel aus dem Zuschuss des Bundes möglich."

Doppelte Staatsbürgerschaft Auch die von der SPD gewünschten Verbesserungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft sollen erst am Ende geklärt werden. Die SPD will die Abschaffung der Optionspflicht, wonach sich zum Beispiel in Deutschland geborene Türken bis zum 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen.

Im ersten Entwurf für den Koalitionsvertrag taucht das Thema nicht auf. Heil zeigte sich optimistisch, dass es dennoch zu einer Einigung kommen wird. Gabriel hatte den Doppelpass zur Bedingung für eine Unterzeichnung des Koalitionsvertrags gemacht.

Wo es offenbar Fortschritte gibt

Mindestlohn Große Streitpunkte waren hier zu Beginn der Sitzung noch offen. So müssen in der finalen Sitzung die Details eines flächendeckenden Mindestlohns geklärt werden. In dem Vertragsentwurf bekennen sich Union und SPD zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, strittig waren aber noch Beginn, Höhe und Ausnahmen.

Dass die SPD also einen gesetzlichen Mindestlohn bekommen wird, scheint schon ausgemacht: Mit 8,50 Euro, aber womöglich einer regional gestaffelten Einführung, um gerade in Ostdeutschland nicht für Job-Verluste zu sorgen. Die Union pocht im Vertragsentwurf auf Ausnahmen für Rentner, Langzeitarbeitslose im ersten Jahr einer neuen Beschäftigung, Erntehelfer sowie für Zeitungsausträger. Heil sagte dagegen, es dürfe "keine faulen Kompromisse" geben.

Pkw-Maut für Ausländer Dann ist da noch das Hausthema der CSU. Die besteht auf der Einführung einer Abgabe für Ausländer auf deutschen Autobahnen. CDU-Chefin Angela Merkel macht die Abgabe davon abhängig, dass sie mit dem Europarecht vereinbar ist und für deutsche Autofahrer keine Mehrbelastung entsteht.

Die Einigung auf eine Pkw-Maut ist in Sicht, soll aber wie andere große Streitpunkte in den Koalitionsverhandlungen erst am Schluss geklärt werden. Zwar lag dazu am Dienstag mit dem dritten Vertragsentwurf ein Kompromissvorschlag vor. Doch betonte der CDU-Politiker Peter Altmaier am Rande der kleinen Verhandlungsrunde im Willy-Brandt-Haus: "Wir sind in internen Gespräche. Alles klar ist, wenn alles klar ist." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte zuvor zur Maut betont: "Alles ist natürlich offen, bis alles verhandelt ist."

Im Vertragsentwurf wurde die Bedingung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Einführung einer Pkw-Maut aufgenommen — sie hatte vor der Wahl erklärt, dass es mit ihr keine Pkw-Maut geben werde. Allerdings wurde in dem Text betont, die Maut sei "den Schlussverhandlungen zum Koalitionsvertrag vorbehalten". Ab 19.30 Uhr kommt die große Verhandlungsrunde mit 77 Vertretern zusammen.

Zur Einführung einer Maut hieß es in dem Entwurf: "Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird. Dabei wird die Ausgestaltung EU-rechtskonform erfolgen." Ein entsprechendes Gesetz solle 2014 verabschiedet werden.

Personalfragungen im Finale

Der Kabinettszuschnitt und die Verteilung der Ministerposten werden erst ganz zum Schluss geregelt. Die wichtigsten Beschlüsse werden Merkel und die Parteivorsitzenden von SPD und CSU, Gabriel und Horst Seehofer, möglicherweise unter sechs Augen fällen.

In der letzten Runde der Verhandlungen wird es auch um die Verteilung der Ministerien gehen. Ob die SPD bereits über die Besetzung der Posten entscheiden wird, ist offen. SPD-Unterhändler Ulrich Kelber sagte, der Ressortzuschnitt sei "ja etwas anderes als die Frage von Namen".

Vom Tisch ist in den Verhandlungen offenbar die Forderung von CSU und SPD nach Einführung von bundesweiten Volksentscheiden. Im Entwurf taucht der Aspekt nicht auf. In Verhandlungskreisen hieß es, solche Volksabstimmungen über die Europapolitik oder vom Bundestag beschlossene Gesetze würden auch nicht mehr aufgenommen.

Der CDU-Sozialflügel wirft Merkel vor, die Parteibasis bei den Verhandlungen außen vor zu lassen. Der Vizevorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, sagte der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart, nach dem klaren Sieg bei der Bundestagswahl nehme die CDU-Chefin die Mitglieder kaum mehr mit: "Wir sind nur noch eine One-Woman-Partei." Ein CDA-Sprecher bezeichnete dies aber als persönliche Meinung Bäumlers.

(dpa)
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