Koalitionsausschuss Martin Schulz beim schwarz-roten Basar mit Angela Merkel

Berlin · Erst wollte er gar nicht hin, nun kommt SPD-Herausforderer Martin Schulz doch zur Kanzlerin. Kann Schwarz-Rot beim Koalitionsgipfel mitten im Wahlkampf überhaupt noch etwas reißen?

 SPD-Chef Martin Schulz und Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhalten sich. (Archivfoto Dezember 2016).

SPD-Chef Martin Schulz und Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhalten sich. (Archivfoto Dezember 2016).

Foto: ap

Vor dem Koalitionsgipfel noch schnell zum Häkelkreis: Für Martin Schulz fing der Mittwoch mit einem Wahlkampfbesuch in einem Mehr-Generationen-Haus im brandenburgischen Teltow an. Die Omis zeigten dem freundlich interessierten 61 Jahre alten SPD-Chef die ein oder andere Luftmasche. Am Abend, bei seiner Premiere im Kanzleramt, drohten indes diverse Luftnummern.

Sechs Monate vor der Bundestagswahl und kurz vor den wichtigen Stimmungstests in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai haben sich Union und SPD nicht mehr allzu viel zu sagen. Genau deshalb wollte Schulz eigentlich gar nicht beim Koalitionsausschuss erscheinen.

Der Mann aus Würselen ist aus SPD-Sicht auch deswegen so populär, weil er nicht mit der Groko in Verbindung gebracht wird. Gemeinsame Fotos mit Hausherrin Angela Merkel passten Herausforderer Schulz nicht wirklich in den Kram.

So hatte er im Rausch der 100 Prozent, die er kürzlich bei seiner Wahl zum Parteichef bekam, im Live-TV verkündet, dass er den Koalitionsgipfel schwänzen und zum Frühlingsempfang der SPD-Fraktion gehen wollte. Die Union sprach von "Arbeitsverweigerung", die CSU nannte den Merkel-Herausforderer "Party-Schulz".

Davon ist eine Verleihung des Otto-Wels-Preises für Demokratie, zu der Schulz gehen wollte, erfahrungsgemäß weit entfernt. Vier Tage hielt Schulz durch. Nun kommt der Kanzlerkandidat doch - im Doppelpack mit dem bisherigen SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der Außenminister steuert unverändert die Geschäfte der SPD-Ministerien.

In der Union gab man sich vor der Runde erstmal betont staatstragend - von Wahlkampfgeplänkel wollte man bei CDU und CSU angesichts der Themenpalette nur mit Blick auf die SPD sprechen.

Kanzlerin Merkel macht zwar auch öffentlich keinen Hehl daraus, dass sie einen Start in den offensiven Wahlkampf sechs Monate vor dem Abstimmungstermin für völlig verfrüht hält - sie will ihre Wahlkampfmunition nicht zu früh verschießen. Doch dass auch die Union nicht nur auf rein inhaltliche Einigung setzt, sondern schon Richtung Wahlkampf schielt, machte bereits der Themenmix des Abends deutlich.

Nachdem die Sozialdemokraten einige Streitthemen auf die Agenda gesetzt hatten, bei denen eine Einigung quasi aussichtslos scheint - Solidarrente, Managergehälter oder Ehe für alle - legten auch CDU und CSU nach.

Dass die SPD auf der anderen Seite bei so strittigen Unions-Punkten wie einer leichteren Abschiebung von Asylbewerbern bei Sozialbetrug oder einem CSU-Anliegen wie Mindestlohn-Ausnahmen beim Ehrenamt einlenken würde, war ebenfalls kaum zu erwarten.

Möglich, dass die Runde am Mittwochabend das letzte schwarz-rote Spitzentreffen vor der Bundestagswahl ist. Die SPD jedenfalls will nicht nochmal bei Merkel "antanzen". Aber man weiß ja nie. Sollte es weiteren Gesprächsbedarf geben, wäre es durchaus denkbar, dass sich die Partei- und Fraktionschefs auch in einer der Parteizentralen treffen könnten, heißt es bei den Genossen.

Ob die Union da mitmacht? Merkel könnte durchaus wahlkampfwirksam darauf bestehen, dass sich die Koalitionsrunde solange bei ihr im Kanzleramt trifft, wie man offiziell noch miteinander regiert. Also bis zum 24. September.

Dass Union und SPD aber eigentlich jetzt schon weitgehend Politik auf eigene Rechnung machen, ließ sich am Drehbuch für den Morgen danach ablesen: Beide Seiten hatten für den Donnerstag schon diverse Termine angekündigt, bei denen sie ihre Bewertung der Abläufe der Nacht unters Volks bringen wollten. Jedes Lager für sich.

(dpa/csr)
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