Große Runde der Verhandlungen Koalitionstrio muss Probleme abräumen

Berlin · Die große Runde der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD geht im Dissens auseinander. Der Weg zur gemeinsamen Regierung ist weiter als vermutet.

Zwei von dreien waren zu erneuter Harmoniebeschwörung entschlossen, doch der dritte der Generalsekretäre bestätigte am Dienstagabend, dass bei der sechsten Sitzung der 75 Köpfe zählenden großen Koalitionsrunde der Dissens gewaltig war. Ja, Alexander Dobrindt von der CSU markierte sogar ausdrücklich Unzufriedenheit angesichts seines Gefühls, von der SPD über den Tisch gezogen zu werden. Da würden doch nur deshalb so viele Themen aufgebracht, um das Lieblingsprojekt der Union, die Mütterrente, als kaum finanzierbar darzustellen.

Schon beim Eintreffen der Unterhändler war die Stimmung gereizt. CDU und CSU holten die Waffen mit dem schwersten Kaliber heraus: Sie hätten wahrlich "keine Angst vor Neuwahlen", versicherten CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Sprich: Die SPD möge sich die Erwartung abschminken, dass die Union einen sozialdemokratischen Koalitionsvertrag unterschreiben werde.

Auch die Aufforderung von SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Union müsse jetzt liefern, nahm die Angesprochene nur als Anregung für Wortspiele. Wenn die SPD etwas geliefert bekommen wolle, müsse sie halt beim Pizzaservice anrufen, ulkte CDU-Vize Julia Klöckner, und Dobrindt empfahl den Kontakt zum Online-Versandhandel Zalando.

Auch die Jungen melden sich zu Wort

Mehr und mehr machen die Unterhändler beider Seiten auch ihre Bedingungen klar: "Einem Koalitionsvertrag, der die Lohnzusatzkosten über 40 Prozent steigen lässt, werde ich nicht zustimmen können", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Sonst werde die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands gefährdet.

Aber auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß drohte mit dem Abbruch der Verhandlungen: "Wenn wir keine zusätzlichen finanziellen Spielräume schaffen — sei es durch den Abbau von Steuervergünstigungen, sei es durch mehr Flexibilität bei der Neuverschuldung —, können wir die Arbeiten einstellen", erklärte er.

In der großen Runde meldeten sich auch die Jungen in der Union zu Wort. Michael Kretschmer, Philipp Mißfelder und Jens Spahn machten einen gemeinsamen Renten-Vorstoß. Sie äußerten die Sorge, dass die Sammlung der Wünsche zulasten der Jüngeren geht.

Tatsächlich sollen auf der sogenannten F-Liste mit den unter Finanzierungsvorbehalt stehenden Verständigungen bereits Wünsche für mehr als 50 Milliarden Euro enthalten sein. Am heutigen Mittwoch schaut sich die Finanz-Arbeitsgruppe mögliche Priorisierungen an, am Wochenende werden die Parteispitzen an die Streitthemen gehen.

Für Nahles geht es um die "Quadratur des Kreises"

Die Verhandler in den Arbeitsgruppen haben bereits 40 Punkte "nach oben" weitergegeben. Am Ende werden sie bei den "großen drei" landen, also den Parteichefs Angela Merkel, Gabriel und Seehofer. Einen Konsens über die F-Liste zu finden, werde der "schmerzlichste Prozess" der Verhandlungen, betonte ein Unterhändler.

Einen Vorgeschmack bekam die große Runde in Form "durchaus heftiger", teilweise auch "leidenschaftlicher" Wortmeldungen. Selbst schon gefundene Kompromisslinien, wie etwa beim Mindestlohn, stellten die Verhandler wieder infrage. Freute sich die CDU über die Formulierung "tariflicher Mindestlohn", stellte die CSU Ausnahmen für Minijobs streitig, und die SPD betonte, es könne nur einen "gesetzlichen Mindestlohn überall und für alle" geben.

Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles geht es jetzt sogar um die "Quadratur des Kreises". Einig sind sich alle in einer neuen Erkenntnis: Der Weg zu einer Verständigung ist deutlich weiter als zunächst vermutet.

(brö/jam/mar/may-/qua)
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