Kolumne: Berliner Republik Die Radikalisierung der Ränder stärkt die große Koalition

Berlin · Als vor mehr als zehn Jahren die zweite große Koalition über Deutschland kam, waren sich viele Beobachter einig: Eine große Koalition mag befristet ihr Gutes haben und dem Land nutzen. Sie darf aber nicht zum Dauerzustand werden. Denn dann nimmt die parlamentarische Demokratie Schaden. Eine Legislatur höchstens, auf keinen Fall länger, das war zu Recht der allgemeine Tenor.

Inzwischen erleben wir das dritte Jahr der dritten großen Koalition in Deutschland und faktisch das elfte Jahr der großkoalitionären Merkel- Regierung. Denn zwischenzeitlich hat die Kanzlerin zwar einmal mit den Liberalen koaliert. Regiert aber hat sie auch in diesem Intermezzo immer mit der SPD. Und nach dem Zwischenspiel mit Guido Westerwelles FDP ist sie auch gerne und freudig wieder in die Arme der SPD gelaufen. Angela Merkel selbst ist die fleischgewordene große Koalition.

Heute ist dieses Land nicht wiederzuerkennen. Weil sich die Mitte so breitgemacht hat, drückt es diejenigen, die sich nicht mehr vertreten fühlen, zwangsläufig an die Ränder. Das Bedrückende an der Situation: Es ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil. Die große Koalition gebiert sich selbst. Am 13. März des kommenden Jahres werden in drei Bundesländern gleichzeitig Landtagswahlen stattfinden. In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Nach Lage der Dinge wird der absehbare Einzug der AfD in die drei Landesparlamente dafür sorgen, dass danach in allen drei Bundesländern große Koalitionen regieren werden. Bislang ist das nur in Sachsen-Anhalt der Fall.

So paradox es klingen mag: Bis auf Weiteres stärkt und stützt die Radikalisierung an den Rändern die große Koalition, gegen die sie aus guten demokratischen Gründen aufbegehrt.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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