Kolumne: Berliner Republik Genug gebrüllt, bayerischer Löwe!

Berlin · Die CSU benennt die richtigen Punkte in der Flüchtlingsfrage. Ihr kraftmeierisches Gezeter bringt bloß überhaupt nichts. Daher sollte sie entweder still sein - oder ernst machen und mit der CDU brechen.

Parteitag: Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU
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Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU

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Foto: afp, CS/dg

Es ist bemerkenswert, wie man sich in der Politik mit leeren Drohungen lächerlich machen kann, ohne dass das unmittelbare Konsequenzen hätte. Oder ist das ein Spezifikum der CSU?

Was hat Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel und der Koalition, die die CSU selbst mitbildet, nicht alles angedroht. Ein Ultimatum hatte er ihr gestellt, bis zu dem sie den Flüchtlingsstrom einzudämmen habe. Er hat einen Flüchtlingssoli gefordert und eine Obergrenze. Er hat Merkel vor dem eigenen Parteitag heimgeleuchtet. Und nach wie lässt die CSU vom früheren Verfassungsrichter Udo Di Fabio eine Klage in Karlsruhe gegen die Regierung prüfen, der Seehofers Partei selbst angehört. Außer mit öffentlicher Selbstverbrennung hat Seehofer eigentlich schon mit allem gedroht.

Die Kraftmeierei gehört zur CSU wie die Pauke zur Blasmusik. Und jetzt vor der alljährlichen politischen Wallfahrt Kreuth brüllt es wieder besonders vernehmlich. Jetzt fordern die bayerischen Brüder von ihrer mecklenburgischen Schwester, dass nur noch Flüchtlinge mit gültigen Papieren einreisen dürfen. Dass dem Recht also wieder zu seinem Recht verholfen wird.

Die CSU benennt die richtigen Punkte in der Flüchtlingsfrage. Aber man kann gegen Merkels Flüchtlingspolitik sein, ohne fremdenfeindlich zu sein. Das geht. Und auch im Sinne und zum Wohle der Flüchtlinge sind die Hinweise richtig, dass sich noch nichts normalisiert hat. Sonst wird mehr versprochen, als gehalten werden kann. 4000 Flüchtlinge am Tag, das sind immer noch über eine Million im Jahr, und die europäischen Nachbarn machen einer nach dem andern die Grenzen endgültig dicht. Von Lastenteilung und Kontingenten ist weniger die Rede denn je.

Deshalb ist die CSU derzeit so entscheidend mit ihren Hinweisen an die eigene Regierung und Regierungschefin. Nur: Es ist jetzt genug gebrüllt, bayerischer Löwe. Außer Heiserkeit hat all dein Gebrüll nichts, aber auch gar nichts bewirkt. Lass die Kraftmeierei. Gib auf. Oder mach ernst. Und ernst machen heißt im Geiste von Kreuth: entweder die Koalition zu verlassen, weil man diese Politik nicht mehr mittragen kann, und/oder sich bundesweit als Alternative zur CDU anbieten. Es gibt inzwischen eine große Zahl frustrierter CDU-Wähler, die keine politische Heimat mehr haben und diese auch bei der AfD nicht finden wollen.

1976 genügte die Gegendrohung der CDU, dann auch in Bayern anzutreten, um den Kreuther Trennungsbeschluss vom Tisch zu bekommen. Heute hat die CSU möglicherweise bundesweit mehr zu holen als die CDU, wenn sie im Gegenzug politisch in Bayern einmarschiert.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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