Kolumne: Berliner Republik Das griechische Virus

Unter dem Schirm des Populismus begegnen sich in Europa Links- und Rechtsaußen. Für Deutschland heißt das: AfD und Linkspartei sind sich näher, als manchem lieb ist.

Lechts und rinks", wusste schon Sprachdadaist Ernst Jandl, "kann man leicht velwechsern." Diese Nähe der beiden politischen Extreme erweist sich in Griechenland. Dort kratzte der linksradikale neue Regierungschef Alexis Tsipras die für seine Regierung nötigen Sitze im Parlament mit der rechtspopulistischen Splittergruppe Anel ("Unabhängige Griechen") zusammen. Im Ziel war man sich schnell einig: Schluss mit dem Spardiktat aus Brüssel und Berlin.

Unter dem Schirm des Populismus in Europa, auch hier in Deutschland, sammeln sich derzeit politische Kräfte der beiden Pole. Auf Deutschland bezogen heißt das: Die Ähnlichkeiten von AfD und Linkspartei und ihren Anhängern sind größer, als manchen der Verantwortlichen bewusst und lieb ist.

Da ist zum einen eine diffuse Xenophobie, eine Furcht vor allem Neuen, Unbekannten. Auf diese diffuse Angst hat seinerzeit schon Oskar Lafontaine gesetzt, als er ganz überlegt sein Wort von den "Fremdarbeitern" platzierte. Fremd und deshalb abzulehnen sind auch Lebensformen, die sich von den eigenen unterscheiden.

Die Furcht richtet sich aber auch gegen alle Neuerungen, die in der Politik "Reformen" heißen. Am besten soll alles so bleiben, wie es ist, besser noch: wieder so werden wie früher, als eh alles besser war. Dieser verklärende Konservatismus eint Rechtsaußen wie Linksaußen. Es eint auch das griechische Bündnis.

Verbindend wirkt weiterhin die wirre Wut auf die da oben, auf den real existierenden Staat, die Regierung, den sogenannten Mainstream, das politische Establishment. Daraus speist (oder speiste) sich der Zulauf zu "Pegida" in Dresden. Aus einem ohnmächtigen Gefühl der vermeintlichen Unterdrückung speisen sich auch die vielen hasserfüllten und schlechtgelaunten Kommentare unter Online-Artikeln, die alle mit geschwollener Halsschlagader und hochrotem Kopf in den Computer gehackt zu sein scheinen.

Schließlich verbindet ganz links und ganz rechts ein Antiamerikanismus und ein Antikapitalismus (Banken sind böse), beides gern gestützt von einem latenten Antisemitismus. Deshalb ist der Mann, auf den sich beider Blicke sehnsüchtig richten, Wladimir Putin. Er ist die Gegenfigur zu dem System, das man ablehnt. Und hier wird die Sache richtig gefährlich.

Denn Russlands Präsident schürt nachweislich diese wirre Wut in Europa, indem er etwa den Front National finanzieren lässt. Geschürt wird diese Wut auch, indem das Netz systematisch mit Propaganda zum Ukraine-Krieg geflutet wird. Das Ziel ist dabei das gleiche wie seinerzeit die Unterstützung der RAF durch die Stasi: die Kräfte stärken, die die westlichen Demokratien zu schwächen imstande sind.

Der Autor ist Chefredakteur des "Cicero" und schreibt an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation mit dem Magazin. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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