Kolumne: Berliner Republik Der Amtsbonus ist ein Schwergewicht

Berlin · In unsicheren Zeiten wiegt der Amtsbonus mehr. Der Amtsinhaber steht für Stabilität und Kontinuität – attraktiv für diejenigen, die gerade keine Experimente wagen wollen.

Kolumne: Berliner Republik: Der Amtsbonus ist ein Schwergewicht
Foto: Quadbeck

In unsicheren Zeiten wiegt der Amtsbonus mehr. Der Amtsinhaber steht für Stabilität und Kontinuität — attraktiv für diejenigen, die gerade keine Experimente wagen wollen.

Von Landtagswahl zu Landtagswahl erleben wir aktuell, dass sich die amtierenden Ministerpräsidenten gegen alle möglichen Widrigkeiten wie Umfrage-Trends, Vielparteienparlamente und Schulz-Effekt im Amt halten können. Der jüngste Machtwechsel in einem Bundesland vollzog sich 2014 in Thüringen. Damals übernahm ein rot-rot-grünes Bündnis die Staatskanzlei von der CDU.

Ansonsten müssen sich Ministerpräsidenten auf mehr oder neue Koalitionspartner einstellen. Der Amtsbonus aber hilft ihnen allen. In Baden-Württemberg tauschte der unangefochtene Grüne Winfried Kretschmann die SPD gegen die CDU. In Sachsen-Anhalt schrumpften die Wähler Reiner Haseloffs sogenannte große Koalition aus Union und SPD so zusammen, dass nun auch die Grünen mit in der Regierung sitzen. Und in Rheinland-Pfalz musste Regierungschefin Malu Dreyer die FDP mit in ihr rot-grünes Regierungsbündnis aufnehmen, um im Amt zu bleiben.

Auch wenn bei uns nicht alles perfekt läuft, ist Deutschland insgesamt doch eine Oase der Stabilität und des Wohlstands. Die Verlustangst lässt viele Wähler auf das Bewährte setzen — in der Hoffnung, dass zumindest der eigene Status quo erhalten bleibt.

Der Amtsbonus war in Wahlkampfzeiten schon immer ein Pfund, mit dem die Regierenden wuchern konnten. In unsicheren Zeiten fällt er doppelt ins Gewicht.

Nun hat die saarländische Ministerpräsidentin nicht nur wegen ihres Amtsbonus die Wahl so klar gewonnen. Der Amtsbonus — verbunden mit ihrem Image solider Regierungsarbeit — hat ihr aber durchaus genützt, jene Wähler gegen den Schulz-Effekt zu mobilisieren, die Rot-Rot im Saarland verhindern wollten.

Für die zwei weiteren Landtagswahlen in diesem Jahr zahlen Amtsbonus und Schulz-Effekt auf ein Konto ein. In NRW und in Schleswig-Holstein führt die SPD die Regierung. Die Herausforderer haben nur eine Chance, wenn sie die Defizite der amtierenden Regierung so gut offenlegen, dass sie eine Wechselstimmung erzeugen. Bislang zeichnet sich die weder in NRW noch in Schleswig-Holstein ab.

Bleibt der Blick auf den Herbst: Bis zur Saarland-Wahl sah es so aus, als müsse die Kanzlerin — statt den Amtsbonus für sich arbeiten zu lassen — gegen Merkel-Müdigkeit ankämpfen. Mit ihrem Sieg hat Kramp-Karrenbauer der Kanzlerin einen doppelten Dienst erwiesen: Sie bewies, dass der nüchterne Politiker-Typ immer noch gefragt ist, und sie zeigte, dass nur die CDU Linksbündnisse verhindern kann.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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