Kolumne: Berliner Republik Der Überlebenskampf der SPD

Berlin · Koko, NoGroko, Jamaika-Aus - die politische Unsicherheit führt nicht nur sprachlich zur Kreativität. Und für die Sozialdemokraten sind das nicht nur Wortspiele.

Kolumne: Berliner Republik: Der Überlebenskampf der SPD
Foto: Quadbeck

Was war das früher einfach in der Politik: Der Wähler hat einen Auftrag erteilt, die Politiker haben sich vor laufenden Kameras dafür bedankt und dann gemacht, was sie für richtig hielten. So läuft das heute nicht mehr. Die Danksagungen an die Wähler, deren Entscheidung selten aus tiefster Überzeugung fällt, sind bei den Sendeanstalten schon länger verpönt. Doch meistens können die Moderatoren gar nicht so schnell dazwischengehen, wie sie dann doch formuliert werden.

Union und SPD konnten sich dieses Mal nicht für Vertrauen bedanken - allenfalls für den Denkzettel. Was der Wähler den Parteien mit dem Ergebnis vom 24. September sagen wollte, ist drei Monate später an Weihnachten immer noch nicht klar. Klar ist nur: Je mehr Ratlosigkeit herrscht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ostern die Suche nach originellen politischen Konstellationen eingestellt wird und es doch eine große Koalition gibt. Nach dem Jamaika-Aus mag im Regierungsviertel aber keiner mehr Wetten abschließen, dass Union und SPD zueinanderfinden. Selbst Spitzenleute der CDU, die offensiv für die große Koalition wirbt, sagen, die Chancen stünden 50 zu 50. Fifty fifty - das war auch die Einschätzung der Liberalen zum Zustandekommen einer Jamaika-Koalition.

Während es für die Union eine untergeordnete Rolle spielt, wer ihr dabei hilft, weiter die Kanzlerin zu stellen, ist es für die Sozialdemokraten sehr schwierig, gesichtswahrend in eine große Koalition zu kommen. Die Partei jedenfalls ist gespalten in ein No-Groko- und in ein Pro-Groko-Lager. Um niemanden zu verprellen, hat sich die SPD-Spitze auf eine Politik der kleinen Schritte verständigt. Dabei greift sie durchaus auch zu Tricks, um den gruppendynamischen Prozess in den eigenen Reihen zu beeinflussen: Wenn man das Naheliegende gegen Widerstände durchsetzen möchte, legt man zur Abschreckung als Alternative einen absurden Vorschlag auf den Tisch. Die Idee, in einem Kooperationsmodell mit eigenen Ministern am Kabinettstisch Regierung und Opposition zugleich zu spielen und das Ganze unter der niedlichen Abkürzung Koko laufen zu lassen, gehört in diese Kategorie. Solche Vorschläge sind dennoch mehr als politische Gedankenspiele. Sie sind Teil des Überlebenskampfs der SPD.

In Frankreich und in den Niederlanden sind die Sozialdemokraten in der Bedeutungslosigkeit versunken, weil sie ihre alten Pfade nicht verlassen haben. Besser wäre es aber, sich inhaltlich und kommunikativ neu aufzustellen, statt die Demokratie neu zu erfinden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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