Kolumne: Berliner Republik Der Unsinn mit der Doppelspitze

Die Grünen haben es erfunden. Die Linken haben es nachgemacht. Die SPD findet nun auch Gefallen daran: wichtige Ämter in Partei und Fraktion mit zwei Personen zu besetzen.

Der Volksmund weiß, dass geteiltes Leid halbes Leid bedeutet und geteilte Freude dem Menschen doppelte Freude beschert. Nur wie verhält es sich mit der Macht? Ist geteilte Macht halbe Freude oder doppeltes Leid?

Die Grünen besetzen Partei- und Fraktionsspitzen in Bund und Ländern mit zwei Leuten. Dahinter steht das Prinzip der Grünen, wonach sie für wichtige Positionen eine Quote von mindestens 50 Prozent Frauen vorschreiben. So ist ein Pöstchen immer für eine Frau reserviert, der Co-Vorsitz kann an einen Mann oder eine Frau gehen. Unkomplizierter ist das gemischte Doppel jedenfalls nicht. Denn meistens versuchen die Grünen für eine Position nicht nur Mann und Frau zu finden, sondern auch noch linken und Realo-Parteiflügel abzubilden. Interessanterweise funktioniert das Prinzip auch tatsächlich nur dort, wo die Grünen dies zwingend vorschreiben. Dort, wo sie in Regierungen sitzen, herrscht meistens doch ein Übergewicht an Männern.

Die SPD will in ihrer Parteisatzung nun auch eine Doppelspitze verankern. Sie soll vor allem die Parteiarbeit vor Ort für beruflich und privat belastete Genossen erleichtern. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel, der den Vorschlag unterstützt, heißt dies nicht zwingend, dass er nun beiseiterücken soll und für Andrea Nahles oder Hannelore Kraft als Co-Chefin Platz machen muss. Er holt sich mit dem Prinzip Doppelspitze aber eine Dauer-Debatte ins Haus, ob er nicht doch ein wenig Macht abgeben sollte. Zumal es in der SPD viele Genossen gibt, die sich durchaus jemanden an Gabriels Seite wünschen. Niemand würde aber behaupten, dass die SPD aus ihrem 25-Prozent-Umfragetief nicht herauskommt, weil es nicht genug Kakophonie in der Partei gibt und weil man dringend noch jemanden braucht, der Gabriel auf Augenhöhe widersprechen kann.

Mit der Doppelspitze ist es wie mit dem Sozialismus: in der Theorie eine prima Idee, funktioniert in der Praxis aber nicht so richtig. So gelangten die Grünen im Bund an die Macht, als sie von ihrem "heimlichen Vorsitzenden" Joschka Fischer geführt wurden, der nie bereit war, sich den Doppelstrukturen zu unterwerfen. Bei den Linken verlagerte sich das Machtzentrum von der Parteispitze in die Fraktion, als die Partei eine Doppelspitze installierte, während Gregor Gysi Alleinherrscher in der Fraktion bleiben durfte. Nun haben auch die Linken ein Kräfteparallelogramm, deren Enden so weit auseinanderstreben, dass als Parteiführer am Ende derjenige wahrgenommen wird, der die höchste Talkshow-Präsenz aufweist.

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(RP)
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