Kolumne: Berliner Republik Die Mär von der Lügenpresse

In der Flüchtlingskrise stehen nicht nur die Politiker in der Kritik. Auch die Medien werden von einem Teil der Bevölkerung argwöhnisch betrachtet, nur weil sie eine konstruktive Rolle einnehmen. Das aber tun sie zu Recht.

Aus gegebenem Anlass in dieser Woche eine Kolumne in eigener Sache: Wir Journalisten beobachten, kritisieren - und gelegentlich loben wir die Politik. Auch wir werden beobachtet, kritisiert und gelegentlich gelobt - von unseren Lesern, sehr oft zu Recht. Seit einigen Wochen kommen aber viele hasserfüllte Botschaften bei uns an. Der Vorwurf: Wir würden einem ungebremsten Flüchtlingszuzug das Wort reden.

Diese Zuschriften und Telefonate schockieren mich, wenn die Sprache verroht und der eigene Anspruch totalitär ist, also keine Differenzierung zulässt. Die Beschimpfung "Lügenpresse" ist Ausdruck dieser totalitären Weltsicht. Dabei bemühen wir uns um eine Haltung in der Flüchtlingskrise, die zwischen humanitärer Verpflichtung gegenüber den Schutzsuchenden und nationalen Interessen unseres Landes abwägt. Wir haben den menschlichen Akt der Kanzlerin, Anfang September die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen, aus christlicher Perspektive als richtig empfunden. Wir haben die Kanzlerin aber kritisiert, dass sie keinen Plan hatte und eigentlich bis heute nicht hat, wie sie den Zustrom begrenzen kann.

Wir drängen und mahnen die Regierung in unseren Kommentaren, eben dies zu tun und sich dazu auch zu bekennen. Wir haben auch sehr offensiv darüber berichtet, dass wir es unangemessen finden, wenn langjährigen Mietern von der Kommune gekündigt wird, um Flüchtlinge unterzubringen. Beim Thema "Pflicht zur Integration" weichen wir keinen Millimeter von unseren Grundwerten ab: Gleichberechtigung von Mann und Frau, Religionsfreiheit und Toleranz. Wir verurteilen rechtsextremistische Gewalt genauso, wie wir Gewalt in Flüchtlingsunterkünften verurteilen.

Die Medien gelten in Deutschland als die vierte Gewalt. Ihnen kommt die Aufgabe zu, Regierung und Behörden zu durchleuchten und zu beurteilen. In den Redaktionsbüros sitzen Menschen, die sich dessen bewusst sind, dass die veröffentlichte Meinung eine wichtige Wirkung auch auf die öffentliche Meinung hat. In Redaktionskonferenzen wird oft kontrovers diskutiert, welche Haltung man zu welchem Thema einnehmen soll.

In der Frage der Flüchtlingskrise endeten diese Debatten in den seriösen Medien in der Erkenntnis, dass man sie konstruktiv begleiten muss. Dabei war uns von Anfang an klar, dass ein solcher positiver Ansatz nicht nur die Verbreitung von Willkommenskultur beinhaltet. Es geht insbesondere darum, den freiheitlichen Rechtsstaat zu verteidigen - gegen Rechtsextremisten und gegen Flüchtlinge, die nicht bereit sind zur Integration.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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