Kolumne Berliner Republik Hört auf zu jammern, macht Politik!

Berlin · Die NSA überwachte Merkels Handy. Ist die transatlantische Freundschaft jetzt vorbei? Nein. Es gab sie nie. Ein Plädoyer für Interessenpolitik.

Im Haus der Geschichte in Bonn ist derzeit eine Ausstellung über den Einfluss der USA in Deutschland zu sehen. "American Way" heißt sie, eine gefühlige Schau. Rot-weiße Cola-Automaten, die Geschichte der Tupperpartys, das Originalliedblatt "Muss i denn" mit handschriftlichen Anmerkungen von Elvis Presley, Bilder von GIs, die deutschen Kindern Kaugummis schenken. Der sympathische Roboter R2D2 aus der "Star Wars"-Saga wurde eigens eingeflogen. Hollywood zum Anfassen.

Der "große Bruder" als großer Freund. So ist das. So war das? Ist die NSA-Abhöraffäre nun die Trennung, der viel beschworene Vertrauensbruch? Ob sich Obama und Merkel noch in die Augen schauen können, fragt der Boulevard.

Mein Vorschlag wäre: Abrüsten. Die Debatte braucht eine Ent-Emotionalisierung. Die transatlantischen Beziehungen beruhten stets auf Interessen. Die US-Soldaten haben ja nicht aus Sympathie zum deutschen Michel Kaugummis und Care-Pakete verteilt. Sie brauchten die Unterstützung der Bevölkerung im Kampf gegen den Kommunismus. Wir waren Teil eines großen Deals, die USA Europas Schutzmacht. Deshalb hat die junge Bundesrepublik den Amerikanern als Lieblingsalliierten auch die Vollüberwachung des Landes genehmigt. Entsprechende Gesetze gelten bis heute. Vertrauensbruch? Für die USA ist die innere Sicherheit das, was für uns Atompolitik, Pendlerpauschale und Schulpolitik zusammen sind: politische Identität. Da machen sie keine Gefangenen — und belauschen notfalls eben Verbündete. Internationale Politik ist Interessenpolitik in Reinform.

Es wird Zeit, dass wir die Gefühlsduselei beenden und selbst mitmischen. Angefangen haben wir ja: In der Irak-Frage, in der Libyen-Krise, in der europäischen Schuldenkrise sind wir den transatlantischen Freunden nicht gefolgt. Warum nutzen wir nicht endlich unser ökonomisches Gewicht für unsere strategischen Interessen? Druckmittel haben wir doch. Wir sind zweitgrößter Geldgeber der Nato, zweitgrößter Truppensteller in Afghanistan. Wir sind ökonomische Lokomotive und wichtigster Handelspartner der USA in Europa. Vielleicht brauchen die US-Amerikaner das Freihandelsabkommen noch dringender als wir.

Wir sollten nicht so tun, als hätten die USA und Deutschland die gleiche Weltsicht, hat der US-Journalist Robert Kagan schon während des Irak-Zerwürfnisses 2003 geschrieben. Gut so. Dann können wir ja beruhigt zuerst auf uns schauen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(brö)
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