Kolumne: Berliner Republik Unser neuer Blick auf die Welt

Berlin · Selten gab es in einem Jahr so viele Krisen, Katastrophen und nationale Schicksalsschläge wie 2015. Das prägt auch die Politik. Und die Rolle der Bundeskanzlerin.

Jahresrückblick 2015: Die Schlagzeilen aus NRW
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Germanwings-Absturz bis Reker-Attentat: Die NRW-Schlagzeilen 2015 in Bildern

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Foto: dpa, ve fux

Beim CDU-Parteitag sagte die Kanzlerin, dass 2015 ein Jahr gewesen sei, wie sie es noch nicht erlebt habe - mit den Anschlägen auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo", dem Poker um den Waffenstillstand in der Ukraine, dem bewusst herbeigeführten Absturz der Germanwings-Maschine, der Euro- und der Flüchtlingskrise sowie dem IS-Terror in Paris. Und damit hatte sie nur die außenpolitischen Ereignisse umrissen.

Auch innenpolitisch erlebte sie als Kanzlerin ein Jahr wie nie zuvor. Und das, obwohl sie vom Mauerfall über die CDU-Spendenaffäre bis hin zu regelmäßigen Attacken des bayerischen Ministerpräsidenten gegen ihre Politik auch schon manches mitgemacht hat. Mit den Pegida-Märschen gab es offenen, hasserfüllten Protest gegen die Politik der großen Koalition. Merkels Umfragewerte sind infolge der Flüchtlingskrise dramatisch eingebrochen. Zudem sind viele Abgeordnete, die in der Ära Merkel erstmals ins Parlament einzogen, auf einmal verunsichert, ob die Kanzlerin auch 2017 noch ihr Zugpferd sein wird.

Schon heute ist klar, dass dieses 2015 als ein besonderes Jahr in die Geschichte eingehen wird - für Deutschland als ein Jahr, in dem die Regierung jene Verantwortung in der Welt übernahm, die Bundespräsident Joachim Gauck Anfang 2014 in Aussicht gestellt hatte. Die Konsequenzen daraus waren die Ukraine-Verhandlungen, die Aufnahme der Flüchtlinge und nun der Kriegseinsatz in Syrien.

Zugleich zeigte sich, dass die Übernahme von Verantwortung viele Risiken birgt. Der Waffenstillstand in der Ukraine ist brüchig; wie wir die Flüchtlingskrise in Deutschland schaffen, ist noch nicht ausgemacht, und in Syrien steht zu befürchten, dass der Einsatz der Aufklärungs-Tornados nur der Anfang dessen sind, was die Bundeswehr dort leisten muss.

Die bewusste Inkaufnahme dieser Hypotheken auf die Zukunft ist das Bemerkenswerte an Merkels Rolle im Jahr 2015. Zehn Regierungsjahre lang erlebte die Republik diese Kanzlerin als Meisterin der Risiko-Vermeidung. Diese Ära ist vorbei. Und wer immer meinte, Merkel sei eine Kanzlerin, die nichts Großes in ihrer Amtszeit vollbringe, hat geirrt. 2015 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen - bei allen Schwierigkeiten, die die Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik noch bringen werden -, in dem die Deutschen der Weltöffentlichkeit vorgeführt haben, wie Humanität funktioniert.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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