Kolumne: Berliner Republik Warum die Regierung in Klausur geht

Berlin · Die Bundesregierung trifft sich heute und morgen in der Abgeschiedenheit Brandenburgs. Man möchte noch einmal konstruktiv zueinanderfinden, bevor alle nur noch an Wahlkampf denken.

Kolumne Berliner Republik: Warum die Regierung in Klausur geht
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Man kennt das von Klassenfahrten: Eine Woche gemeinsam Jugendherberge, und man sieht den Klassenstreber mit milderem Blick, dem Aufschneider begegnet man mit Humor, und irgendwie halten hinterher alle besser zusammen. Der kleinste gemeinsame Nenner ist stets, dass man über die Kochkünste der Herbergseltern und den morgendlichen Muckefuck lästern kann.

Bei Regierungsklausuren stellen sich ähnliche Effekte ein. Das werden wir heute und morgen besichtigen können. Das Kabinett trifft sich zur Klausurtagung im Gästehaus Meseberg. Meseberg liegt 60 Kilometer nordöstlich von Berlin in einer 140-Seelen-Gemeinde. Das Barockschlösschen, in dem die Minister gemeinsam übernachten werden, wurde als Gästehaus der Bundesregierung saniert. Komfortabler als Jugendherbergen ist es selbstverständlich. Die Klassenfahrt-Atmosphäre macht vielmehr aus, dass die Minister nicht nur ihre Arbeitssitzungen, sondern auch ihre Freizeit am Abend gemeinsam verbringen. Die Minister reisen in ihren Limousinen alle mit Rollköfferchen an. Die Presse ist bei dem Ereignis zugelassen, muss aber etliche Meter vom Ort des Geschehens hinter einer Absperrung auf die Abschlusspressekonferenz warten. Gelegentlich kommt einer der anwesenden Raucher heraus und gibt auf eine Zigarette ein paar dünne Infos.

Von der ersten Kabinettsklausur der großen Koalition 2014 schwärmten die Anwesenden, wie konstruktiv man gearbeitet und wie nett man am Abend miteinander geplaudert habe. Dieses Mal dürfte die Atmosphäre deutlich nüchterner ausfallen. Die Kanzlerin ist ohnehin knapp getaktet: Am zweiten Tag der Klausur will sie schon am Vormittag nach Japan zum Gipfel der sieben wichtigsten Industrienationen aufbrechen. Und während man 2014 noch Gemeinsamkeiten suchte, sind die Spitzen der Koalition mit Blick auf den Wahlkampf 2017 nun eher daran interessiert, das Trennende herauszustellen.

Die schlechtere Atmosphäre macht sich seit Wochen in der großen Koalition bemerkbar. Während man in der Anfangszeit noch darum bemüht war, Differenzen hinter verschlossenen Türen auszutragen oder den Streit zumindest dem Fußvolk zu überlassen, gehen mittlerweile die Minister selbst aufeinander los. Dies konnte man in der vergangenen Woche im Streit um Glyphosat zwischen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD )und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sehen. Ein gemeinsames Problem wird der Regierung bis 2017 bleiben: die Flüchtlingskrise. Dafür soll das Integrationsgesetz in Meseberg verabschiedet werden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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