Kolumne: Berliner Republik Tofu in der Fleischsuppe

Es sind nicht nur die politischen Differenzen, die ein mögliches Jamaika-Bündnis so kompliziert machen. Auch die Mentalitätsunterschiede könnten nicht größer sein.

Kolumne: Berliner Republik: Tofu in der Fleischsuppe
Foto: Quadbeck

Wenn man ehrlich ist, dann war Schwarz-Grün bislang nur ein Projekt einer Reihe pragmatisch denkender CDU-Politiker und unideologisch eingestellter Grüne. In Hessen funktioniert das gut. Doch CSU und Grüne sind seit jeher Lieblingsfeinde. Das Gleiche gilt für Grüne und Liberale - wenn auch aus anderen Motiven.

Was allein CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Laufe seiner bisherigen Karriere über die Grünen verbreitet hat, daraus ließe sich ein Buch unter der Überschrift "Die originellsten Gemeinheiten über die Grünen" verfassen. Nur ein Beispiel: 2010 sagte er in der Funktion des Generalsekretärs über die Grünen, sie seien "keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern". Just am Wochenende sprach er davon, dass er sich eine schwarz-gelbe Mehrheit auf Bundesebene gewünscht habe, nun sei ihnen "Tofu in die Fleischsuppe" gefallen. Zimperlich gingen die Grünen mit Dobrindt auch nicht um. Die gehässige Namensverdrehung "Doofbrindt" und für CSU-Chef Horst Seehofer die Wendung "Drehhofer" werden dem Grünen Jürgen Trittin zugeschrieben.

Grünen und Liberalen wird nachgesagt, dass sie im Prinzip um eine ähnliche Wählerklientel buhlen: gut ausgebildet, gut verdienend, offen denkend. Stark vereinfacht sind die Grünen-Wähler die Liberalen mit dem schlechten Gewissen und dem erzieherischen Politikansatz.

Beide Seiten fischen im gleichen Gewässer und haben umso mehr das Bedürfnis, sich voneinander abzugrenzen: Designer-Anzug gegen lässige Jeans, Sportwagen gegen Fahrrad, à la Carte gegen Veggie-Day. Auch rhetorisch ist der Wähler-Markt umkämpft. Als die Grünen 2014 ankündigten, enttäuschte Wähler der FDP einsammeln zu wollen, grätschte FDP-Chef Christian Lindner dazwischen: "Die Behauptung einiger Grüner, die Partei wolle zur liberalen Kraft in Deutschland werden, soll doch bloß dazu dienen, das Image einer Verbots- und Abkassiererpartei abzustreifen." Auch in diesem Wahlkampf ging es zwischen den beiden Parteien, deren Farbkombination auch den Augen schmerzt, zur Sache: persönliche Anfeindungen, vergiftete Botschaften. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt meinte, wer den Klimawandel leugne, der wähle FDP.

Allerdings gelingt es Liberalen und Grünen deutlich besser als CSU und Grünen, mit Blick auf Jamaika, das gegenseitige Dauerfeuer einzustellen. Die alten Reflexe werden in einem gemeinsamen Bündnis aber nicht gänzlich verschwinden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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