Berliner Republik Wenn Dinosaurier das Land regieren

Aus der Werbung für Haarpflege und Süßigkeiten kennt man die Produkte, die "Zwei in eins" bieten, also Haarshampoo, das zugleich auch Spülung enthält, und bunte Bonbons, bei denen man Vitamine nascht. Dass man solcherlei Werbung bedingt Glauben schenken darf, ist bekannt. Denn Shampoo macht die Haare struppig, Spülung zähmt sie wieder - beides in einer Flasche ist eher nicht möglich. Und Bonbons werden nicht dadurch gesünder, dass ihnen künstlich ein paar Vitamine zugesetzt werden.

Nun zur Politik: Was soll man von einer Regierung halten, die so groß ist, dass sie die eigene Opposition bequem integrieren kann?

Die große Koalition in Berlin macht dies gerade. Da hat die CDU im Wahlkampf die Erhöhung der Mütterrente versprochen, während die SPD ihren Wählern einen Ruhestand ab 63 Jahren in Aussicht stellte. Und statt einen Kompromiss zu schmieden, was in der Politik üblich ist und was man Wählern auch erklären kann, entschlossen sich die beiden Volksparteien, zu ihrer Elefantenhochzeit auch elefantös aufzutischen. Beide teuren Rentenprojekte wurden ohne Abstriche in den Koalitionsvertrag geschrieben.

Das europäische Ausland, dem Deutschland Sparsamkeit mit öffentlichen Geldern und längere Lebensarbeitszeiten verordnet, staunt nicht schlecht über diese Deutschen, die es mal so richtig krachen lassen.

Dass diese Rentenpolitik grundverkehrt ist, beklagt die Wirtschaft, weil sie die Facharbeiter braucht, und kritisieren die Sozialverbände, weil sie das Geld lieber an die wirklich Bedürftigen verteilen würden. Auch in der Union hat sich mittlerweile ein Widerstandsnest gebildet. Rund 60 Abgeordnete wettern vor allem gegen die Rente ab 63. Hinter vorgehaltener Hand finden sich auch etliche Kritiker der Mütterrente, doch die war ja der eigene Wahlkampfschlager. Also konzentriert sich die unionseigene Oppositionsarbeit gegen die Politik der GroKo auf die Rente ab 63.

Die Gefahr aber ist groß, dass das Aufbegehren in einem typischen GroKo-Kompromiss endet: Am Ende entscheidet man sich für die teuerste Lösung und feiert sich selbst dafür. Wahrscheinlich werden im Bundestag die Abstimmungen zur Mütterrente und zur Rente ab 63 getrennt vorgenommen. Dann können die Gegner der 63er-Rente ihr Mütchen kühlen, dagegen stimmen und sich als Helden fühlen. Für eine Umsetzung des Prestige-Projekts der Sozialdemokraten wird es dennoch reichen. Die Zustimmung für die Mütterrente wird etwas üppiger ausfallen.

Warum auch nicht? Die kostet ja auch mehr.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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