Kolumne: Frauensache Der nackte Wahnsinn

Das Smartphone, Begleiter in allen Lebenslagen, wird auch im Schlafzimmer nicht ausgeschaltet, sondern für hüllenlose Ganzkörper-Selfies genutzt. Ist das nun die totale Freiheit oder doch nur die totale Entblößung?

Nacktfotos von Prominenten im Internet, eine Nacktdating-Show im Fernsehen, Nackte vor dem Machu Picchu in Peru - es sieht so aus, als ziehe die Welt blank. So scheint für das Hollywood-Schauspielerinnen-Dasein ein großes Repertoire an privaten, selbstgeschossenen Nacktfotos obligatorisch zu sein, wie Hackerattacken nun anschaulich gezeigt haben. Das Smartphone, Begleiter in allen Lebenslagen, wird auch im Schlafzimmer nicht ausgeschaltet, sondern für hüllenlose Ganzkörper-Selfies genutzt. Von Sigmund Freud kennen wir das Ich und das Über-Ich, im digitalen Zeitalter kommt nun noch das Nackt-Ich hinzu.

Gelangt dieses Nackt-Ich an die Öffentlichkeit, setzt offenbar der Werther-Effekt ein. So wie einst Goethes fiktiv leidender Romanheld in der wirklichen Welt eine Selbstmordwelle unter jungen Männern auslöste, ahmen heute Mädchen den Hollywood-Frauen nach. Als vor einiger Zeit ein Nackt-Selfie der Schauspielerin Scarlett Johansson geleakt wurde, auf dem sie ihren Po der Kamera entgegenräkelte, entstand binnen weniger Tage ein neuer Trend: das Scarlettjohanssing - Frau setzt sich mit nacktem Po vor den Spiegel, drückt ab und stellt das Bild ins Netz. Eine Boulevard-Zeitung lieferte praktischerweise den Ratgeber-Artikel dazu: "Klick dich nackig wie Scarlett Johansson."

Ist die totale Nacktheit nun die totale Freiheit oder doch nur totale Entblößung? RTL versucht seinen Zuschauern ersteres weis zu machen: "Adam und Eva" heißt die Kuppelshow, in der sich unverhüllte einsame Singles auf einer einsamen Insel begegnen. Das ist allerdings alles andere als der nackte Wahnsinn, sondern eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Außer nackt rumsitzen, nackt Obst essen, nackt Feuer machen passiert - nichts. Sollte das Paradies auch nur annähernd so gewesen sein wie bei RTL gezeigt, dann hätten Adam und Eva wohl nicht nur in einen Apfel gebissen, sondern einen ganzen Apfelbaum leer gegessen. "Tutti Frutti" hieß übrigens vor 25 Jahren eine der ersten RTL-Sendungen, in der es um nackte Brüste und Obst ging - digitales Zeitalter hin oder her, dieses Konzept hat bis heute überlebt.

Womit wir in Peru und dem Machu Picchu wären. Dort patrouilliert nun die Polizei, weil immer mehr Touristen vor der Inka-Stätte für ein Erinnerungsfoto blank ziehen. Sie ahmen Paul Marshall nach, einen Mann, der sich zum Ziel gesetzt hat, vor den Denkmälern dieser Welt nackt zu posieren und dies auf der Internetseite "Naked at Monuments" dokumentiert. Sie sind schon seltsam, diese Nackt-Ichlinge.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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