Kolumne: Frauensache . . . Eltern sein dagegen sehr

Einfach nur Mutter oder Vater zu sein, reicht heute offenbar nicht mehr. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass auch das Kindsein ziemlich anstrengend geworden ist.

Helikoptereltern, Tiger-Mum, Wochenendvater - für Menschen mit Kindern gibt es heutzutage eine Menge Beinamen und Kategorisierungen. Einfach nur "Mutter" und "Vater" zu sein, passt offenbar nicht mehr in eine Welt der Work-Life-Balance, des Burn-outs und Gender Mainstreamings.

So sollen Väter an der Kinderbetreuung gleichberechtigt teilhaben: Galt früher bereits das Durchschneiden der Nabelschnur als ausreichender Beitrag zur Kleinkindversorgung, sind heute drei Monate Väterzeit, in der sie den Nachwuchs bemuttern, das gesetzte Minimum. Zugleich sind Männer aber immer noch zu beruflichem Erfolg verpflichtet, denn die Mehrheit der Frauen ist nicht bereit, sich an einen Partner zu binden, der weniger verdient als sie. Doch auch für Mütter ist es komplizierter geworden: Kind und Karriere sind keine Option mehr, sondern ein Zwang.

Vielleicht ist die Kompliziertheit des Elternseins der Grund dafür, dass heutzutage auch das Kindsein ziemlich anstrengend geworden ist. Vom Baby-Yoga über das "Gestalten mit naturbelassenen Materialien" in einer veganen Kita bis hin zum Tai-Chi-Kurs für Grundschulkinder wird der Nachwuchs in eine Erwachsenenwelt katapultiert, die permanent versucht, den Stress zu bewältigen, den ein Alles-muss-möglich-sein-Leben verursacht.

Diesem Leben entspricht auch der Erziehungsstil der westlichen Mittelschicht. Den beschreibt die Entwicklungspsychologin Heidi Keller als totale Konzentration auf die Bedürfnisse des Kindes, das von Geburt an als autonome Person mit eigenen, gültigen Wünschen wahrgenommen werde. Diese Fixierung auf die Befindlichkeiten des Kindes, gepaart mit schier unbegrenzten Fördermöglichkeiten, führt manchmal dazu, dass Eltern zum Wohle des Kindes in einen Nur-das-Beste-Extremismus verfallen, der am Ende alle überfordert.

Was passiert, wenn Eltern zu Extremisten werden, zeigt der neue Film von Sönke Wortmann, "Frau Müller muss weg", auf ebenso komische wie entlarvende Weise. Weil ihre Kinder nicht die gewünschten Noten bekommen, will ein Trupp Väter und Mütter die Klassenlehrerin Müller absetzen.

Auf die Idee, den eigenen Nachwuchs zu hinterfragen, kommen sie nicht, denn dann müssten sie ja auch sich selbst infrage stellen. Etwa die Karrierefrau, die stets funktioniert, oder das Mittdreißiger-Lifestyle-Paar, bei dem nur Bio-Essen auf den Tisch kommt. Sie sind Eltern, die nur das Beste für ihr Kind wollen und dabei übersehen, dass ihr Kind nicht in allem das beste sein kann. Und das erzählt Wortmann in seinem Film bestens.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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