Kolumne: Frauensache Wir brauchen keine Saalmikrofoninnen

Der Evangelische Kirchentag in Stuttgart bemüht sich um eine geschlechtergerechte Sprache. Doch die Debatte beißt sich an Nebensächlichkeiten fest. Das ist nicht nur anstrengend, sondern führt auch zu Verkrampfungen.

Der Grad zwischen Provokation und Peinlichkeit ist schmal. Für die Gender-Mainstreamer ist er meist zu schmal. So ist im Programmheft des Deutschen Evangelischen Kirchentags unter der Rubrik "Mitreden" zu lesen: "Die Teilnehmer des Kirchentages sind eingeladen, mitzureden über Saalmikrofoninnen und -mikrofone". Da wird der vermeintlichen Unterjochung der Frau in unserer Sprache die Unterjochung der Grammatik entgegengesetzt, sozusagen als Lautsprecher der Gleichberechtigung. Um im Kirchentagsjargon zu bleiben: heiliger Bimbam.

Brimborium gab es vor kurzem auch in Passau um einen Fensterwettbewerb an der Universität. Den kritisierte die Gleichstellungsbeauftragte, weil nur Männer die Leiter erklimmen dürften, während die am Fenster wartende Frau zum Objekt degradiert werde. Dieses Vorkommnis mag dereinst als Passauer Fenstersturz in die Annalen der Gendergeschichte eingehen, tatsächlich aber wird hier ein Kampf im Namen der Frau geführt, wo es nichts zu kämpfen gibt.

Ähnliches geschah vor zwei Jahren, als das ZDF anlässlich der Europameisterschaft im Frauenfußball einen Werbespot zeigte, in dem Damenbeine einen Ball in eine geöffnete Waschmaschine kickten. Empörung im Schleudergang war die Folge - wegen der Kombination von Frau und Waschmaschine. Weil immer wieder Petitessen mit Bedeutung aufgepumpt werden, beißt sich die Gleichberechtigungsdebatte an Nebensächlichkeiten fest. Das ist nicht nur anstrengend, sondern führt auch zu Verkrampfungen.

Nun hat die Fußball-WM der Frauen in Kanada begonnen - und die Verkrampfung ist schon bei der Maskottchenwahl zu spüren. Da wollte man bei der Fifa wohl frauenpolitisch alles richtig machen, als man eine Schnee-Eule namens Shuéme präsentierte - von Kopf bis Fuß eine sportliche, elegante und moderne Eule, wie die Fifa sagt. Ihre modische Frisur verströme Selbstvertrauen und Stolz. Ihre fließenden Umrisse deuteten auf Anmut hin, während ihre Flügel und ihr Schweif präzise Kontrolle und Beweglichkeit gewährleisteten. Selten ist versucht worden, ein Maskottchen derart mit Sinn zu beladen. Im Herrenfußball musste die Chilischote mit Sombrero schließlich auch nicht als Symbol für "scharfe" Kerle herhalten oder Goleo, der Löwe ohne Hose, als Sinnbild für die männliche Potenz.

In diesem Sinne: Auch bei der Frauen-WM sind wir von Kopf bis Fuß auf Tore eingestellt. Die modischen Frisuren überlassen wir den Eulen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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