Kolumne: Gesellschaftskunde Die Industrie entdeckt unser Bedürfnis nach Liebe

Intelligente Technikgeräte werden zu bequemen Partnern, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Mit Liebe hat das nichts zu tun - weil Liebe zwischen Menschen gerade nicht bequem ist, sondern eine ständige Herausforderung bleibt.

Unter allen Wünschen und Sehnsüchten, die den Menschen antreiben, ist dieses Bedürfnis wohl am dringlichsten: zu lieben und geliebt zu werden. Darum ist dieser Wunsch auch für die Konsumgüterindustrie interessant. Produkte, die dem Menschen suggerieren, er könne sich damit ein Stückchen Glück kaufen, das Gefühl, etwas wert und damit geliebt zu sein, versprechen Gewinne.

Aus diesem Grund haben heute Gegenstände Konjunktur, die nicht mehr nur irgendeinem schnöden Gebrauch dienen, sondern mit uns scheinbar in einer intimen Beziehung stehen. Gegenstände, die uns lieb und teuer sind, weil sie unser Selbstwertgefühl steigern.

Smartphones zum Beispiel oder andere elektronische Geräte, die auf unsere Stimme reagieren, die wir mit Passwörtern und Codes zu unseren persönlichen Begleitern machen, zu Gefährten unseres Lebens. Längst müssen die auch nicht mehr auf Knopfdruck reagieren, sondern werden mit Fingerspitzen sanft bedient. Die Geräte erinnern uns an wichtige Termine, sind immer bereit, unsere Befehle entgegenzunehmen, klagen nicht, wenn sie beizeiten durch einen noch leistungsstärkeren Nachfolger ersetzt werden.

Intelligente Technikgeräte werden damit zum bequemen Partner, der Aufmerksamkeit schenkt, aber nie quengelt. Also werden sie zärtlich in teures Zubehör verpackt, überallhin mitgenommen, abends als letztes ausgeschaltet. Geht ja nicht anders. Ist heute so.

Natürlich hat das alles mit Liebe nichts zu tun, denn Liebe zwischen Menschen ist ja gerade nicht bequem, sondern ständige Herausforderung. Einer lässt sich auf einen anderen ein, lernt bald dessen Tiefen kennen, blickt in die eigenen, muss bereit sein zu schenken, statt zu verlangen. Das lässt Menschen reifen, Vertrauen wachsen - feste Bindungen sind ein großes Geschenk. Aber bequem ist Lieben nicht.

Die Verlockungen des Konsums zielen daher auch auf den Narzissmus des Verbraucher, wollen sein Ego bedienen, sein Leben leichter machen, nur nicht nerven. Das formt Ansprüche, die fatale Folgen haben, wenn sie aus der Konsumzone ins Zwischenmenschliche übertragen werden.

Wer als Kunde immer König ist, reagiert unwillig, wenn er im wirklichen Leben gefordert wird, sich auseinanderzusetzen, Kompromisse einzugehen, oder wenn er etwas für den anderen tun soll, ohne Gegenleistung. Aus reinem Wohlwollen und tiefer Verbundenheit. Aus Liebe.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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