Gesellschaftskunde Warum Oktoberfeste so in Mode sind

Trotz aller Rivalitäten zwischen Bayern und dem Rest der Republik: Oktoberfeste sind beliebt. Auch jenseits des Weißwurst-Äquators. Das hat mit Geldverdienen zu tun. Aber auch mit dem reinen Spaß am Verkleiden.

Gesellschaftskunde: Warum Oktoberfeste so in Mode sind
Foto: Krings

Brauchtum ist nur dann lebendig, sagen die Experten, wenn es sich verändert, wenn es sich neue Gepflogenheiten einverleibt, sich geänderten Erwartungen und gewandelten Bedürfnissen anpasst und so beweist, dass es weiter wichtig ist. Erstarrung ist bekanntlich Beweis für den Tod.

Vielleicht muss man das im Kopf haben, um frohgemut in eines dieser Zelte laufen zu können. Denn nun gibt es hierzulande ein neues Brauchtum: Oktoberfest rheinischer Art. Landauf, landab strömen die Menschen in blau-weiß geschmückte Hallen, in denen sie sonst Schützenfest oder Karneval feiern. Sie essen Brezn zum Bier, tragen Dirndl und Lederhosen und amüsieren sich prächtig. Viele Oktoberpartys sind schon lange im Voraus ausgebucht, Eintrittspreise werden willig gezahlt.

Vorbei also die Zeit, da blasse blau-weiße Girlanden eher in jenen Kneipen und Geschäften baumelten, die sich ausstattungsmäßig nicht gerade auf der Höhe der Zeit befanden. Oder die Ableger einer Münchner Zentrale sind. Inzwischen wird auch gediegen bajuwarisch gefeiert. Das Oktoberfest hat den Durchbruch im Rheinland geschafft, trotz aller regionalen Bayern-München-Feindschaften und Sau-Preuß-Animositäten.

Man kann das schrecklich finden, weil diese neue Tradition nun mal keine rheinischen Wurzeln hat. Und Erntedank auch ein schönes Fest ist, das ein wenig Wiederbelebung vertragen könnte. Man kann die bayerischen Feste verunglimpfen als Ergebnis cleverer Marketingstrategien und Beweis gesteigerten Amüsierbedürfnisses in Heimat-Ambiente. Hauptsache es gibt Bier. Und natürlich eröffnet ein importiertes Partykonzept, das sich in ganz Deutschland ausbreitet, einen neuen Markt für Dekoartikel, folkloristische Kleidung, kulinarische Spezialitäten. Mit Oktoberfesten lässt sich Geld verdienen.

Oktoberfest ist wie Fasching im Rheinland

Eigentlich ist das Ganze aber ja Karneval. Ein Spiel. Ein Anlass, sich zu verkleiden und so zu tun, als sei man Bayer. Dieser Rollenwechsel hat denselben Effekt wie Karneval: Verkleidet mit Miedertracht und Lederbuchse ist man einen Abend lang ein anderer, kann geschützt durch das Kostüm aus sich herausgehen.Der Rheinländer kann in Anbetracht der neuen Feiermode also tun, was er am besten kann: gelassen bleiben. Is ja ever alles bloß Fasching.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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