Kolumne: Gesellschaftskunde Mitgefühl ist eine mächtige Kraft

Düsseldorf · In den sozialen Netzwerken wird gerade ein Film weitergereicht, der zeigt, wie einfach es ist, Mitempfinden zu zeigen. Und wie viel das bewegt.

Kolumne: Gesellschaftskunde: Mitgefühl ist eine mächtige Kraft
Foto: Krings

Großereignisse wie die EM erzeugen Abschiedsschmerz. Die Leere danach. Wie zur Besänftigung wird dann meist noch ein wenig die Frage verfolgt: Was bleibt? Welcher Augenblick wird es in die Langzeiterinnerung schaffen und die vielen Stunden vor dem Bildschirm gelohnt haben?

Vielleicht ist es diesmal ein unscheinbarer Moment auf einer französischen Fanmeile, den der Sender Euronews bei einer dieser sprachlosen Schwenks über bewegte Menschenmassen zufällig eingefangen hat und der nun durch die sozialen Netzwerke gereicht wird. Ein französischer Fan im blauen Trikot mit stolzem Hahn auf der Brust ist da zu sehen, der nach dem verlorenen Finale wie benommen ins Nichts starrt, Luft holt, schließlich weint, weil alles vergeblich war.

Und dann sieht man plötzlich die Hand eines Jungen, die zögerlich den Arm des Mannes berührt. Irritiert blickt der Fan auf, der kleine Junge im Trikot der Portugiesen berührt ihn wieder, spricht mit ihm, tröstet. Am Ende umarmen sich die beiden, der Mann und das Kind, und man muss schon hartgesotten sein, um sich von dieser Szene nicht ergreifen zu lassen. Das liegt nicht nur daran, dass da ein kleiner Junge den ersten Schritt tut, vorsichtig, behutsam, aber so weise wie ein alter Mann.

Das Video lässt live erleben, wie Mitgefühl funktioniert, wie es Grenzen zwischen Nationalitäten, Fan-gruppierungen, Generationen überwindet, weil Mitgefühl immer von Mensch zu Mensch wirkt und sich von Zuschreibungen nicht aufhalten lässt.

Vielleicht fällt es Kindern leichter, spontan ihren Gefühlen zu folgen, die Verzweiflung eines anderen unverstellt wahrzunehmen, an sich heranzulassen und nicht zuerst den gegnerischen Fan zu sehen, sondern den Menschen, dem die Enttäuschung gerade die Luft nimmt. Vielleicht wappnen sich Erwachsene innerlich zu oft gegen Mitgefühl, weil diese Empfindung eine starke Kraft ist, die Leute dazu bewegen kann, die Sicherheit des gewohnten Verhaltens zu verlassen und Wirklichkeit zu verändern.

Allerdings genügt es dafür nicht, sich von einem Video im Netz sentimental erfassen zu lassen und es weiterzureichen wie eines dieser Katzenfilmchen. Der Junge mit dem Portugal-Shirt ist nicht nur niedlich, er zeigt uns, wie der Mensch sein kann, wenn er sich nicht verschanzt, sondern wach seinen Empfindungen folgt, einen anderen an den Arm fasst, ihn berührt, menschlich handelt. Mitempfinden ist eigentlich ganz einfach. Das lehrt ein kurzer Film, der viele Menschen rührt. Und Mahnung sein sollte.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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