Kolumne: Gesellschaftskunde Mut zum Miteinander

Düsseldorf · Die Ereignisse zu Jahresbeginn empören und verunsichern viele. Nun droht ein Rückzug ins Private. Das wäre verständlich, aber gefährlich für unser Zusammenleben.

Nun fühlt sich das neue Jahr schon alt an. Schnell ist das diesmal gegangen, weil 2016 gleich mit so vielen erschreckenden Ereignissen begonnen hat. Die Silvesternacht, Börseneinbruch in China, nun der Anschlag in der Türkei: Feindlich und unberechenbar wirkt die Welt da draußen gerade, weil öffentliche Orte unsicher werden, weil Menschen im Urlaub Anschlägen zum Opfer fallen, weil die Turbulenzen an der Börse einmal mehr die Anfälligkeit des global vernetzten Wirtschaftssystems vorgeführt haben — und weil viele im stabilen Kernland Europas etwas zu beobachten glauben, das höchst beunruhigend ist: Kontrollverlust.

Erst an den Grenzen, dann auf einem zentralen Platz in einer Stadt, die für das "Et hätt noch emmer joot jejange" steht, für jene leicht fatalistische, rheinische Gelassenheit, die ganz gut durchs Leben trägt - solange man sich auf die staatlichen Instanzen verlassen kann.

Genau dieses sonst kaum wahrgenommene Vertrauen hat nun einen Knacks bekommen. Das ist politisch brisant, egal ob man diese Reaktion für angemessen hält oder nicht. Und es hat Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima. Eine Mischung aus Empörung und Unsicherheit macht sich breit. Das verstärkt auch das individuelle Gefühl der Ungewissheit, der Brüchigkeit, des mangelnden Zutrauens in das Miteinander. Das macht Leben anstrengend und beflügelt nicht gerade zu sozialem Engagement.

Womöglich werden nun neue Formen des Cocoonings, des Verpuppens und Zurückziehens ins Private, zu erleben sein. Schon jetzt wirken viele Hausneubauten wie Festungen, geben Leute viel Geld für alles aus, was ihr Heim behaglicher macht. Das ist eine nachvollziehbare Reaktion, wenn im öffentlichen Raum Ungeheuerliches geschieht, Reisen zum Risiko werden und der Einzelne sich ohnmächtig fühlt angesichts gesellschaftlicher Veränderungen, die sich innerhalb weniger Wochen vollziehen.

Doch gerade der Rückzug auf das Überschaubare, Nahe, Bekannte verstärkt Ohnmachtsgefühle. Nur im direkten Kontakt mit anderen Menschen können pauschale Urteile aufbrechen, kann der Einzelne erleben, dass er wirksam ist, dass sein Engagement zählt. Wer sich darauf einlässt, lässt sich auch auf Konflikte ein, auf wirkliches Ringen um unsere Werte.

Nichts ist leichter geworden nach Köln. Aufhalten darf uns das nicht.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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