Kolumne: Gesellschaftskunde Warum Promis in den Container ziehen

Sat.1 hat für das Projekt "Big Brother" wieder Promis in den Container gesperrt. Die machen das mit, weil sie Geld und Aufmerksamkeit brauchen, aber womöglich auch, weil es ihnen Lust bereitet, sich auszustellen.

Nun gibt es also wieder eine Parallelwelt. Diesmal steht der "Big Brother"-Container in Köln, es sind wieder Promis eingezogen, die man schon vergessen konnte, als man sich noch an sie erinnerte. Und wer will, kann jetzt wieder zusehen, wie aussortierte Berühmtheiten in einer inszenierten WG leben. Was sie so sagen, wenn der Tag lang ist. Und wie sie einander traktieren, wenn täglich einer von ihnen aus der Kommune fliegt.

Menschen schauen sich das mit einer ähnlichen Faszination an, mit der andere ins Terrarium blicken. Dort sieht man auch fremden Kreaturen beim Vegetieren zu und hält das für exotisch. Man weiß nicht, was als nächstes geschehen wird, wann die Echse den Kopf hebt oder die Schlange zischelt. Also schaut man weiter hin, gerät in einen somnambulen Zustand der Trägheit und fühlt sich irgendwie unterhalten. Hinzu kommt im "Big Brother"-Terrarium, dass schlechte Promis für dieses Format die besten sind, weil bei ihnen der Reiz der Peinlichkeit hinzutritt. Der Zuschauer darf damit rechnen, Zeuge irgendwelcher Entgleisungen zu werden. Dann kann er sich ekeln oder lachen - auf jeden Fall werden seine Gefühle angesprochen. Das unterhält.

Bleibt die Frage, warum Menschen wie Schlagersänger Michael Wendler, der ehemalige Sänger Hubert Kah oder Ex-Richter und Ex-Politiker Ronald Schill in diesen Container einziehen und sich zum Ausstellungsobjekt des Trashfernsehens machen. Womöglich werden sie es wegen der Gage tun und weil sie unter dem Auge von "Big Brother" wenigstens wieder ein bisschen öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Und wahrscheinlich verwechseln sie Aufmerksamkeit mit Anerkennung.

Aber Geld lässt sich auch anders verdienen. Die Freiwilligen im Container müssen also eine eigenartige Lust verspüren, sich aus- und sogar bloßzustellen. Ähnlich wie beim Exhibitionismus können Leute ohne diese Veranlagung das nur schwer nachvollziehen. Aber es kann Menschen Genugtuung verschaffen, gesehen zu werden, vor allem, wenn dabei Intimgrenzen überschritten werden.

Man muss also kein Mitleid haben mit den Wendlers und Kahs, die freiwillig in den Medien-Zirkus steigen. Trotzdem bleibt "Big Brother" ein zynisches Format. Weil es seinen Unterhaltungswert aus Schadenfreude bezieht.

Und weil es mit der Totalüberwachung spielt, die längst auch in demokratischen Gesellschaften keine abstrakte Bedrohung mehr ist. Noch ist der Container eine Parallelwelt. Selbstverständlich ist das nicht mehr.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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