Kolumne: Gott Und Die Welt Der Hass im Netz ist ein Zeichen von Schwäche

Es ist billig und leicht, in den sozialen Netzwerken Hass zu verbreiten. Derzeit vor allem gegen Flüchtlinge. Oft sind solche Kommentare ein Zeichen völliger Enthemmung und des Verlustes jeglicher Zivilisiertheit.

Wenn ich lese, was manche Menschen in den sozialen Netzwerken schreiben, dann kommt mir manchmal der Satz Jesu am Kreuz in den Sinn: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Auch jetzt, nach den entsetzlichen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof, kochen die Emotionen bei Facebook hoch. Von marodierenden Gruppen junger Männer mit unterschiedlicher Herkunft wird pauschal auf alle Flüchtlinge geschlossen. "Musste ja so kommen. Raus mit dem Flüchtlings-Pack!", schreibt da jemand.

Ein solcher Satz ist indiskutabel, ein Zeichen völliger Enthemmung und des Verlustes jeglicher Zivilisiertheit. Eine Verachtung der Würde des einzelnen Menschen, befördert durch die niederschwellige Möglichkeit, schnell mal seinen Hass im Internet zu entladen und von Gleichgesinnten mit einem "Like" beklatscht zu werden. Besonders erschreckend finde ich, dass dieser Hass manchmal von solchen Menschen geteilt wird, die sich selbst als christlich bezeichnen würden. Aber wissen die Nutzer wirklich nicht, was sie da tun, wenn sie zum Beispiel unter das Bild jenes Lastwagens, in dem Flüchtlinge erstickt sind, schreiben: "Jammerschade, dass nur 70 von den Schmarotzern verreckt sind"? Ich glaube, sie wissen es. Wer Facebook nutzt, kennt die Reichweite des Netzwerks, das im guten Sinne Menschen verbinden und für eine gute Sache gewinnen kann. Zum Beispiel für ein Engagement für Menschen in Not.

Hass im Netz zu verbreiten, ist billig - ein Zeichen von Schwäche und fehlender Einsicht in eine komplexe Wirklichkeit. Sich hingegen öffentlich für Werte einzusetzen, die die Solidarität mit dem Nächsten fördern - eben auch für christliche Überzeugungen -, erfordert einen Gedankengang mehr. Es ist ein Zeichen von Stärke und Mut. Und noch mutiger kann es sein, mit Menschen von Angesicht zu Angesicht in Kontakt zu treten - statt eines vorschnellen und unüberlegten Posts.

In seiner Enzyklika "Laudato si" warnt Papst Franziskus vor einer menschenverachtenden Nutzung der sozialen Medien: "Die wirkliche Weisheit, die aus der Reflexion, dem Dialog und der großherzigen Begegnung zwischen Personen hervorgeht, erlangt man nicht mit einer bloßen Anhäufung von Daten, die sättigend und benebelnd in einer Art geistiger Umweltverschmutzung endet." Das ist keine Absage an die sozialen Medien, es ist vielmehr ein Appell an ihre soziale Kraft.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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