Kolumne: Gott Und Die Welt Die Zerstörungswut der Islamisten verrät pure Angst

Wir sind historische Wesen und werden dadurch relativiert. Wir sind nicht der Ursprung von allem. Wer die Erinnerung an Vergangenes auszulöschen versucht, verweigert seine Verantwortung auch für die Zukunft.

Warum tun sie das? Warum zerstören die selbst ernannten Kämpfer des selbst ernannten "Islamischen Staates" antike Kulturgüter - zuletzt den Tempel von Baal-Schamin in Palmyra, der in Syrien gelegenen Oasenstadt? Der Vernichtungseifer speist sich aus anderen Quellen als der schieren Aggression. Er ist Programm und - so unglaublich es klingt - Teil ihres radikalen Religionsverständnisses. Denn jede Kultur und jede Gottesanbetung aus vorislamischer Zeit gilt den Fundamentalisten als eine Epoche der Unwissenheit. Nach ihrem Verständnis beginnt das Wissen um Welt und Menschheit erst mit ihrer Religion. Darin spiegelt sich ein Selbstverständnis, das keine Fragen duldet. Die Vernichtung antiker Kulturgüter verrät aus diesem Grund noch etwas anderes über die Täter: deren Angst vor den Fragen, was es vor dem Islam gegeben hat. Hinter den Gewaltakten - so martialisch sie auch zur Schau gestellt werden - steht die Verunsicherung. Als fürchteten sie sich vor der Erfahrung, dass es vor unserer Kultur und auch vor Beginn unserer Glaubensüberlieferung schon etwas existierte, woran die Menschen glaubten, was ihrem Leben Sinn gab und sie zu solch kulturellen Großtaten befähigte. All das dokumentieren auch diese antiken Stätten. Ihre Botschaft an uns lautet: Wir sind nicht der Ursprung von allem. Es gibt Vorgänger, in deren Fußstapfen wir treten. Wir sind historische Wesen und werden dadurch vergleichbar. Ein Blick in die Vergangenheit relativiert unsere vermeintliche Größe der Gegenwart. Wenn es Bedeutendes vor uns gab, so wird uns Bedeutendes folgen. Aus der Erfahrung unserer Geschichtlichkeit erwächst darum auch eine Verantwortung für die Zukunft.

Der sogenannte Islamische Staat will die Erinnerung tilgen und die Überlieferung an die Lebenden kappen. Denn sie ist es, aus der das Wissen seine Kraft und der Glaube seine Begründung zieht. "Tut dies zu meinem Gedächtnis!", soll Jesus den Jüngern beim Letzten Abendmahl mit auf ihren schwierigen Weg der Missionierung gegeben haben.

Worte sind nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Man versucht es dennoch - etwa mit der Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie. Das Todesurteil, ausgesprochen 1989 vom iranischen Staatschef Khomeini, gilt bis heute. Rushdie wird am Dienstag geschützt zur Buchmesse nach Frankfurt kommen. Der Iran sagte daraufhin seine Teilnahme ab. Auch das eine Geste der Zukunftsverweigerung.

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(RP)
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