Kolumne: Gott Und Die Welt Giftgas tötet Menschen wie Ungeziefer

Gibt es einen gerechten Krieg? Diese Frage durchzieht das Abendland auf der Suche nach einem humanen Zusammenleben. Der Einsatz von Giftgas - wie jetzt in Syrien - aber ist die Verachtung jeder Menschenwürde.

 Unser Autor Lothar Schröder.

Unser Autor Lothar Schröder.

Foto: Schröder

Mögen Sie Blockbuster? Das sind derart beliebte TV-Serien und Kinofilme, dass sie für menschenleere Straßen sorgen. Die Herkunft des Wortes ist weniger beschaulich. Blockbuster hießen im Zweiten Weltkrieg Bomben, die nur einen kleinen Krater hinterließen, deren enorme Druckwellen aber im großen Umfeld Häuser zerstörten und Menschen töteten, indem es ihnen die Lungen zerriss. Ganze Straßenzüge wurden so zur Todeszone. "Wohnblockknacker" hießen die Bomben im Volksmund, ein Wort, das diesen perfiden Waffen etwas von ihrer Grausamkeit nehmen sollte. Gut 70 Jahre ist das her; und noch länger der erste Giftgaseinsatz von deutschen Soldaten im April 1915 bei Ypern. Seither ist Gas als Waffe geächtet worden, in Protokollen und Erklärungen, unterschrieben von vielen Nationen. Es sind allesamt Aufrufe an die Vernunft und Humanität einer Menschheit, die nicht zur Besinnung kommen will. Der jüngste Giftgaseinsatz in Syrien ist ein Debakel unseres Glaubens daran, dass Aufklärung wirksam sein könnte. Jede Generation begeht immer wieder aufs Neue ihre Verbrechen. Weil Macht und Machterhalt Menschen zu Monstern machen.

Natürlich stellt sich auch die Frage, warum jene Waffen geächtet werden und andere nicht. Schließlich ist die Vernichtung der Gegner das Ziel jeder kriegerischen Gewalt. Das Verbot bestimmter Waffen - und das Giftgas zählt bereits seit dem Genfer Protokoll von 1925 dazu - ist unvereinbar mit einer konsequent pazifistischen Haltung. Das Abwägen wird erst nötig, wenn Krieg an sich und unter bestimmten Bedingungen vorstellbar bleibt. Die Idee vom sogenannten gerechten Krieg durchzieht das Abendland - auf seiner Suche nach einem humanen, auch christlichen Zusammenleben. Ist der Kriegsgrund entscheidend? Oder mehr die Kriegführung? So schwierig es ist, den Krieg in Syrien überhaupt zu verstehen, so klar ist die Verurteilung eines Giftgaseinsatzes. Weil dahinter noch etwas anderes steht als das Töten selbst. Giftgas hinterlässt nämlich eine Botschaft an die Hinterbliebenen. Hinter der gespenstisch unsichtbaren Waffe und dem qualvollen Tod steckt die Verachtung für die Menschen. Ihnen soll noch im Tode die letzte Würde genommen werden. Der vergiftete Mensch wird zu einer Art Ungeziefer, das einfach nur ausgetilgt wird. Zugleich wird durch Giftgas jeder Mord anonymisiert. Diese Distanz ist es, die den Täter von seiner Verantwortung befreit. Wie fürchterlich alt und immer noch aktuell unser Aufschrei doch ist - über 100 Jahre nach Ypern.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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