Kolumne: Gott Und Die Welt Jesus hätte an Heiligabend schlechte Laune

Düsseldorf · Dass viele Geschäfte dieses Weihnachten auch am Sonntag öffnen, hätte dem Gottessohn gar nicht gefallen. Selbst wenn der Gesetzgeber eine Öffnung erlaubt: Muss man sie deshalb unbedingt nutzen?

 Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki

Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki

Foto: Woelki

Wenn Sie in der Bibel nach einer Stelle suchen, in der Jesus so richtig schlechte Laune gehabt haben soll, dann ist es sicherlich die von der Tempelreinigung. Als Jesus den Jerusalemer Tempel betritt, sieht er lauter Händler und Geldwechsler. Die Bibel berichtet, dass ihn das so richtig in Rage bringt. Er wirft Tische um, verscheucht die Händler und wirft das Geld auf den Boden. "Mein Haus soll ein Haus des Gebets sein. Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle", soll Jesus gepoltert haben.

Wie er wohl reagieren würde, wenn er wüsste, wie viele Geschäfte in diesem Jahr an Heiligabend öffnen wollen? Vielleicht würde er rufen: Nicht einmal an diesem hochheiligen Tag könnt ihr aufs Geschäftemachen verzichten!

Heiligabend fällt 2017 auf einen Sonntag. Viele Märkte haben deshalb zwar angekündigt, ihre Pforten erst gar nicht zu öffnen. Andere aber wollen die Stunden vor den Feiertagen noch einmal nutzen, um ihre Kasse aufzubessern. Sie argumentieren, dass sie denjenigen entgegenkommen wollen, die es noch nicht geschafft haben, Geschenke oder das Festessen zu besorgen.

Mit Verlaub, das ist ein Scheinargument. Sonntags kann man in der Regel auch sonst nicht einkaufen und muss dann eben vorsorgen. In Umfragen haben sich die Deutschen mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass die Läden an Heiligabend geschlossen bleiben - sie suchen ganz bewusst die Entschleunigung an diesem Tag so kurz vor dem großen Fest. Sie wollen gar nicht erst in die Versuchung geraten, noch mal schnell einkaufen zu müssen.

Bei der Diskussion um die Ladenöffnung an Heiligabend gerät eine Gruppe schnell aus dem Blick: die Beschäftigten im Einzelhandel. Auch sie wollen sich wie alle anderen auf das Weihnachtsfest mit ihrer Familie vorbereiten und sind ganz bestimmt nicht erpicht darauf, am Morgen des Heiligen Abends hinter einer Supermarktkasse zu sitzen. Mindestens diese Gruppe muss ihre Einkäufe bis Samstag, den 23. Dezember erledigen, weil sie am Vormittag des Heiligen Abend arbeiten muss. Vielleicht sollten wir uns an ihnen ein Beispiel nehmen, dann könnten die Läden am Heiligen Abend getrost geschlossen bleiben.

Selbst wenn der Gesetzgeber eine Öffnung erlaubt: Muss man sie deshalb unbedingt nutzen? Ich meine: nein! Seien wir dankbar für diejenigen, die an allen Feiertagen in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, der Polizei, bei der Wasser- und Energieversorgung und an anderen für uns alle lebensnotwendigen Stellen ihren Dienst tun. Und zwingen wir nicht noch mehr Menschen zur Arbeit als unbedingt notwendig.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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