Kolumne: Gott Und Die Welt Korruption - Macht und menschliche Schwäche

Bestechung wird erst erkennbar in Gesellschaften, die zwischen Gemeinwohl und Einzelinteresse unterscheiden. So ist Korruption auch ein Kind der Zivilisation.

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Foto: afp, mbh//nb

Dass bei Korruption niemand ruft: Haltet den Dieb! hat seinen Grund. Denn während beim Diebstahl zunächst die Tat dokumentiert ist und der Täter noch ermittelt werden muss, ist bei einer Bestechung der Korrumpierende meist bekannt, dafür muss aber noch das Delikt bewiesen werden. Ein bedenkenswerter Unterschied. Denn so eindeutig beim Diebstahl nahezu alles ist - Täter und Opfer wie auch Gewinn und Schaden -, ist bei einer Korruption vieles klärungsbedürftig und bleibt am Ende manches nebulös.

Das wird schon deutlich bei dem Versuch, zu erklären, was Korruption ist. Wissenschaftler neigen zu dieser Definition: "Verletzungen des allgemeinen Interesses zugunsten eines speziellen Vorteils". Wahrscheinlich würden sich selbst die derzeit Verdächtigen aus Reihen der Fifa über solche Erklärungsversuche erst einmal scheckig lachen. Gleichwohl findet sich in dieser Formulierung ein spannendes Gegensatzpaar: "allgemeines Interesse" und "spezieller Vorteil". Dies ist die Grundlage jeder Korrumpierung: Stets geht es um eine Art Verletzung des Allgemeinwohls zugunsten eines privaten Interesses. In der Korruption tritt der Egoismus der Person gegen den Altruismus der Gesellschaft an. Damit ist die Korruption auch ein Kind der Zivilisation. Denn es musste erst ein Verständnis von Gesellschaft und Gemeinwohl reifen, ehe Korruption erkennbar werden kann.

Das erklärt, warum das Korrupte erst zu einem Phänomen des 19. Jahrhunderts wurde und noch in den europäischen Feudalstaaten nicht identifiziert wurde, obwohl auch zu dieser Zeit Geld in dunkle Kanäle floss. Zum anderen fehlt ein nachhaltiges Bewusstsein für korruptes Verhalten noch heute in vielen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Ohne ein entwickeltes Gemeinwohlverständnis scheint Menschen in diesen Ländern die Rechtsverletzung leichterzufallen. Weit deftiger geht es in Nationen zu, die aus ideologischen Gründen nicht zwischen dem Wohl des Einzelnen und dem der Gesellschaft unterscheiden. Zwar ist auch in kommunistischen Ländern Korruption strafbar, doch im Lebensvollzug der Menschen an der Tagesordnung.

Eins aber ist Korruption immer: ein Zeichen von Macht, die sich abseits der legitimierten vollzieht. Wahrscheinlich wird sie auch darum nie ganz vermeidbar sein. So bleiben die Worte Friedrich Nietzsches zu bedenken, wonach "Corruption nur ein Schimpfwort für die Herbstzeiten eines Volkes" ist - also ein Vorbote des Zerfalls. Auch das scheint in diesen Tagen kaum an Gültigkeit verloren zu haben.

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(RP)
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