Kolumne: Gott Und Die Welt Mit Sprache Brücken schlagen

Viele syrische Kinder sind schwer traumatisiert. Sie haben im Bombenhagel buchstäblich ihre Sprache verloren. Ein Schulprojekt soll ihnen neue Chancen eröffnen.

Im Anfang war das Wort - so beginnt das Evangelium nach Johannes. Gemeint ist: Mit Gottes Wort fängt alles an. So ist es auch in der Schöpfungserzählung, in der es heißt: "Und Gott sprach...". Im Glauben sind es Gottes Worte, mit denen das Leben entsteht.

Für uns Menschen sind Worte, ja ist die Sprache vielleicht das wichtigste Instrument unseres Bewusstseins. Sprache schafft Beziehung, Teilhabe am Gedanken und Leben des Anderen. In der Bibel steht auch, Gott habe uns ursprünglich "einerlei Zunge und Sprache" in den Mund gelegt. Und erst als der Größenwahn die Menschen packte und sie anfingen, den Turm zu Babel zu bauen, zürnte Gott und hat kurzerhand aller Länder Sprache "verwirrt".

Heute finden wir oft nur mühevoll zueinander, wenn wir uns miteinander verständigen wollen. Die unterschiedlichen Sprachstämme sind dabei nicht das eigentliche Problem, dafür gibt es Dolmetscher. Es mangelt an interreligiösem und interkulturellem Verständnis füreinander. Grundgelegt wird solches Verständnis durch Bildung. Nur sie versetzt Menschen in die Lage, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben überhaupt teilhaben zu können.

In diesen Tagen startet im Libanon mit Unterstützung des Erzbistums Köln ein ganz besonderes Schulprojekt. Es ist aus der Überzeugung heraus entstanden, dass Bildung und Sprachförderung von Kindern der Schlüssel für Entwicklung und friedliches Zusammenleben sind. An einer Schule in der Bekaa Ebene werden syrische Flüchtlingskinder und libanesische Kinder aus ärmsten Verhältnissen gemeinsam unterrichtet.

Gerade Syrien ist nach mehr als fünf Jahren Krieg ein zutiefst zerrissenes Land; Menschen, die früher Tür an Tür lebten, bekämpfen sich dort gegenseitig. Viele syrische Kinder sind schwer traumatisiert. Sie haben im Bombenhagel buchstäblich ihre Sprache verloren. Die Schulgründung im Libanon will durch gemeinsames Lernen neue Chancen eröffnen. Dass die traumatisierten Kinder neben dem Bildungsangebot auch therapeutische Unterstützung benötigen, steht außer Frage. Mit dem neuen Schulprojekt ist ein erster Schritt Richtung Zukunft eingeschlagen, um ihnen ihre Sprache zurückzugeben.

Mit der Sprache fängt alles an - und vielleicht gilt für diese Schule im Libanon der Satz ganz besonders, der auch hier und bei uns seine Gültigkeit nie verloren hat: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir - damit es ein gutes wird!

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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