Kolumne: Gott Und Die Welt Von der Melancholie der Rückkehr

Nur wenige Tage nach Ende der Sommerferien scheint uns der Alltag wieder eingeholt zu haben. Woran liegt's? Was die Urlaubszeit bewahrt, sind keine Mitbringsel, sondern das Erfahrene.

Wäre doch gelacht, wenn nicht noch irgendetwas spürbar und übrig wäre vom Urlaub. Schließlich haben wir uns wochenlang darauf gefreut, haben Vorbereitungen getroffen und als Countdown immer eindringlicher diverse Wetter-Apps befragt, wie es um den Himmel über dem Freizeitparadies bestellt sein könnte. Und das alles soll ein paar Tage nach Rückkehr und Ende der Sommerferien schon wieder für die Katz' gewesen sein? Zumindest lassen unsere engagierten "Aufräumarbeiten" darauf schließen, dass wir den Alltag so schnell wie möglich wieder herzustellen versuchen - als eine Art Rezivilisierung. Die Waschmaschine läuft jetzt pausenlos; der Nachbar bekommt die Flasche Wein fürs Blümchengießen; die Post wird nach Rechnungen durchforstet. Der Melancholie der Rückkehr treten wir mit allerlei Betriebsamkeit beherzt entgegen. Ihr fällt dann manches Mitbringsel zum Opfer. So die ganz kleine Idee, beim Frühstück künftig dünne Gurkenscheibchen unter den Käse zu drapieren, wie noch am Frühstücksbüffet des Hotels. Auch der Vorsatz, künftig unbedingt wieder mehr zu schwimmen, wird gekidnappt von den anstehenden Verpflichtungen. Und auch die kleinen Andenken verlieren flugs ihren Zauber und beschreiten allmählich die Karriere zu Staubfängern im Bücherregal. Was vielleicht noch eine Zeit bleibt, sind unsere Urlaubserzählungen im Freundes- und Bekanntenkreis, die meist auf ein paar Extravaganzen reduziert sind und garniert werden von wetterstatistischen Angaben wie die Zahl der Sonnen- und Regentage, die Angaben zu Höchst- und Wassertemperatur. Und weil nach dem Urlaub immer auch vor dem Urlaub ist, sprießen alsbald erste zarte Gedanken für die Reisen im kommenden Jahr.

Doch nicht der Alltag, die Arbeit und die Schule sind es, die unseren Urlaub so schnell verblassen lassen. Vielleicht ist aber unser Eifer eine Ursache für die blasser werdende Erinnerung. Nicht die Bilder und andere Belege wahren die gute Zeit. Mit ihrer Hilfe werden wir dem, was war, nicht habhaft. Vielmehr ist es das Erfahrene, das wirklich bleibt. Der Moment eines stillen Sonnenaufgangs, die unerwartete Begegnung, das weiche Wasser eines Sees am Abend. Das zu bewahren, ist der Schatz der Reise. Er ist unangreifbar und unantastbar. Und nur wir sind es, die ihn entdecken und ihn hüten.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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